Berner Obergericht mildert Strafe in Inzest-Fall
«Keine Gewalt»: Das Urteil gegen einen Vater, der seine 17-jährige Tochter mehrmals sexuell belästigt hat, wurde revidiert.

Wegen sexuellen Handlungen mit seiner Tochter ist ein Mittvierziger aus dem Kanton Bern zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden. Das Berner Obergericht milderte die Strafe der Vorinstanz, weil keine Vergewaltigung vorliege.
Der Mann hat die Anschuldigungen stets zurückgewiesen, doch das Gericht sah Übergriffe in vier Fällen als erwiesen an. Im gravierendsten Fall sei er in seine damals 17-jährige Tochter eingedrungen. Diese habe sich nach eigener Aussage nicht gewehrt.
«Vergewaltigung» sei aber laut Bundesgericht ein Gewalt-Delikt, gab Oberrichterin Franziska Bratschi am Freitag bei der Begründung des Urteils zu bedenken. Die junge Frau habe sich in anderen Fällen durchaus gewehrt und Grenzen setzen können, doch den ungeschützten Beischlaf habe sie geschehen lassen. Also sei keine Gewalt ausgeübt worden.
Das Regionalgericht Emmental-Oberaargau hatte dem Mann nebst sexuellen Handlungen mit Abhängigen und Inzest auch Vergewaltigung zur Last gelegt und ihn zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 28 Monaten verurteilt. Die zur Last gelegten Übergriffe reichten von unsittlichen Berührungen bis hin zur Penetration. Der Mann zog das erstinstanzliche Urteil weiter.
Schwierige Kindheit
Bis zum 17. Lebensjahr hatte die junge Frau kaum Kontakt zum Vater. Sie wuchs bei ihrer Mutter auf und litt schon in jungen Jahren an Depressionen. Weil sie stahl, kiffte und wiederholt von zuhause ausbüxte, war ihre Jugend geprägt von Heimaufenthalten und Schulwechseln.
Anfang 2011 meldete sich der Vater und bot ihr an, bei seiner neuen Familie unterzukommen. Die Tochter willigte ein. Die Übergriffe trugen sich nach Darstellung der Tochter an vier Tagen zwischen Mai und August 2011 zu.
Kurz darauf wechselte die junge Frau in eine Institution in Frankreich. Dort sagte sie einer Betreuerin, der Vater habe sich an ihr vergriffen. Die Justiz wurde eingeschaltet.
Rätsel um SMS
Eine wichtige Rolle im Prozess spielten eine Reihe von SMS, die auf dem Handy der Tochter gespeichert waren. Nach ihren Angaben stammen die teils sehr aufdringlichen Kurznachrichten vom Vater.
Bei einer Reihe belastender SMS bestritt der Vater allerdings vehement, dass er sie geschrieben hat. Entweder habe jemand anders die Nachrichten von seinem Handy aus verschickt, oder sie seien auf dem Handy der Tochter durch eine technische Manipulation seiner Nummer zugeordnet worden.
Das sei technisch nicht auszuschliessen, betonte die Verteidigerin. Sowieso gebe es Zweifel, ob die Angaben der Tochter zuträfen. Motive für eine falsche Anschuldigung hätte sie genug; so habe sie sich jahrelang vom Vater vernachlässigt gefühlt. Dass es die junge Frau in den Heimen nicht immer genau mit der Wahrheit genommen habe, sei aktenkundig.
Eine Frage der Glaubwürdigkeit
«Sind minderjährige Opfer mit einer schwierigen Jugend weniger schützenswert?» entgegnete der Anwalt der Frau. Bei einer Vergewaltigung gebe es in aller Regel keine Zeugen, viel hänge deshalb von der Glaubwürdigkeit des Opfers ab. Die Verteidigung wolle diese Glaubwürdigkeit diskreditieren.
Dafür gebe es aber keinen Grund, betonten der Privatkläger und auch der Staatsanwalt. Die Frau habe die Übergriffe zwar nicht detailliert, aber glaubhaft geschildert, und sie sei im Lauf des Verfahrens bei ihrer Darstellung geblieben. Dass sie imstand gewesen sein könnte, empfangene SMS zu manipulieren, sei unwahrscheinlich.
So sah es auch das Obergericht. Die Aussagen der Tochter seien glaubhaft; ihr Vater hingegen habe sich in einen «Aussage-Slalom» verstrickt, als er erkannt habe, wie belastend einige SMS seien.
Er habe der Tochter doch nur helfen wollen, als er sie zu sich genommen habe, beteuerte der Mann in seinem Schlusswort. Am Schluss solle er der Täter sein, das sei «ein Wahnsinn».
Seine Lebensgefährtin verfolgte die Verhandlung von der Zuschauerbank aus, ebenso die heute 20-jährige Tochter. «Es ist krass», hatte diese in einer Einvernahme erklärt: Früher habe sie sich so sehr einen Vater gewünscht, und am Schluss passiere dann so etwas.
SDA
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