Demo gegen PolizeigewaltTausende ziehen durch Basel – und Polizisten gehen auf die Knie
In Städten weltweit protestierten am Samstag Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Die grösste Demo der Schweiz fand in Basel mit rund 5000 Teilnehmern statt.
Der Fall des Afro-Amerikaners George Floyd, der unter der Gewalt eines Polizeibeamten in Minneapolis zu Tode gekommen ist, hat eine Welle von Protestaktionen in den USA und auf der ganzen Welt ausgelöst. Erstmals fand am Samstag auch in Basel eine grössere unbewilligte Kundgebung gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt statt. Dazu aufgerufen hatte eine linksautonome Gruppierung auf Facebook unter dem Hashtag «Basel Nazifrei». Pünktlich um 13 Uhr fanden sich auf dem Barfüsserplatz gegen 1000 Personen ein. Im Verlauf der nächsten Stunden wuchs die Kundgebung auf einige Tausend Teilnehmer.
Die Kundgebungsteilnehmer waren mehrheitlich jung. Verschiedene Ethnien waren vertreten, doch die meisten Demonstranten waren Weisse. Die Organisatoren legten wert darauf, dass lediglich andersfarbige Menschen das Mikrofon in die Hand nehmen und reden durften.
Wie von den Organisatoren empfohlen, trugen viele der Kundgebungsteilnehmer einen Mundschutz als Anti-Corona-Massnahme. Die Veranstalter verteilten ihrerseits Masken. Die Abstands- und Versammlungsregeln des Bundes konnten freilich ob der schieren Zahl an Leuten nicht eingehalten werden. Die Polizei markierte zu Fuss, auf dem Velo, Motorrad und mit Einsatzwagen Präsenz und verteilte Flyers mit Infos zu den Corona-Hygieneregeln, die bei dem Umzug gleichwohl zur Nebensache gerieten. Die Versammlung wirkte friedlich.
Kurz nach 14 Uhr setzten sich die Demonstranten vom Barfi aus Richtung Kleinbasel in Bewegung. Der Verkehr auf der Strecke war zwischenzeitlich blockiert. Auf der Mittleren Brücke kam es gegen 14.30 Uhr zu einem Sit-in: Die Demonstranten besetzten die Verkehrsachse und legten sitzend – sich auf einem Knie abstützend – eine Schweigeminute ein. Dabei gingen auch einzelne Polizeimitarbeiter auf die Knie. Es handelt sich um eine stumme Form des Protests, die durch den Footballspieler Colin Kaepernick weltweit berühmt wurde und seither zu einem Symbol gegen Rassismus und Polizeigewalt avanciert ist.
Dann ging es weiter Richtung Claraplatz: Von der Mittleren Brücke bis zum Platz war ein einziger grosser Demonstrationszug mit mehreren Tausend Teilnehmern auszumachen. Die Nachrichtenagentur SDA sprach von 5000 Teilnehmern. Proteste gab es auch in Bern, Neuenburg und Zürich. In der Limmatstadt gingen gut 1000 Menschen auf die Strasse.
Gegen 15 Uhr machten die Basler Demonstranten auf der Klybeckstrasse vor der Kaserne halt, um verschiedenen Rednerinnen und Rednern zuzuhören. Der Verkehr auf der Strecke war blockiert. Die Parole amerikanischer Demonstranten «Black lives matter» (Schwarze Leben zählen) war auch in Basel omnipräsent: Er wurde in Sprechchören skandiert und auf Spruchbändern und Plakaten hochgehalten.
Um 15.30 Uhr setzte sich der Demonstrationszug wieder in Bewegung, um sich kurz vor 16 Uhr auf der Dreirosenanlage zu sammeln. Hier sollte es nochmals Reden geben. «Danach hören wir auf», kündigte eine Organisatorin per Lautsprecher an.

Im Verlauf des Nachmittags kamen immer wieder Menschen mit Migrationshintergrund zu Wort, die von persönlichen Erfahrungen mit Rassismus in der Schweiz berichteten. Fremdenfeindlichkeit und Racial profiling, also systematische Polizeiaktionen gegen gewisse Ethnien, seien nicht bloss ein amerikanisches Phänomen, betonten sie. Eine junge Rednerin sagte, sie selbst sei schon von der Polizei kontrolliert worden, ohne recht zu verstehen, warum gerade sie von den Sicherheitskräften angehalten wurde. Das sei eine sehr unangenehme Erfahrung gewesen.
Allgemein sei man es leid, unter Generalverdacht gestellt zu werden, sagten die Rednerinnen. Aussagen von Weissen wie «Ich kenne einen Schwarzen, der ist total intelligent» oder «Ich habe auch Schwarze als Freunde» seien keine Seltenheit. Sie seien vordergründig nett gemeint, zeigten aber, dass die Grundannahmen darüber, was es bedeutet, ein Mensch mit schwarzer Hautfarbe zu sein, völlig verkehrt seien. Man müsse sich in der Schweiz immer wieder bezüglich seiner Herkunft rechtfertigen. «Das kostet sehr viel Kraft, und das muss endlich aufhören», forderte eine Frau.

Eine andere Rednerin stand während der Ansprache den Tränen nahe und musste ihren Vortrag wiederholt unterbrechen. Das Publikum versuchte ihr mit tosendem Applaus Mut zu machen. Auf der Dreirosenanlage erzählte eine junge Frau, wie sie während der Schulzeit einmal auf dem Pausenplatz bei einem Streit als «Scheissneger» beschimpft worden sei. Sie habe sich zwar zur Wehr gesetzt, und das Gegenüber habe in der Folge begonnen, sie zu respektieren. «Aber warum muss man sich zuerst mit einer Ohrfeige oder anders wehren, damit man mit Respekt behandelt wird?», fragte sie in die Menge.
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