Nach dem Ja zur KlimagerechtigkeitBei der Umsetzung kommt es ausgerechnet auf die Gegner an
Der Kanton Basel-Stadt muss bis 2037 CO₂-neutral werden. Regierungspräsident Beat Jans (SP) liegt besonders viel daran, den Gewerbeverband mit ins Boot zu holen, um das zu schaffen. Nur: Der war ja dagegen.

Eine Gruppe in roten Westen zieht an diesem Abstimmungssonntag im Basler Rathaus die Blicke auf sich. Es sind nicht etwa SP oder Unia, die die Farbe Rot sonst für sich beanspruchen, sondern die Klimagerechtigkeit-Initianten.
Viele davon sind zum ersten Mal im Grossratssaal. Sie sitzen dort, wo sonst meist die Bürgerlichen die Abstimmungsresultate verfolgen. SVP-Grossrat Beat K. Schaller, der sich dort schon auf seinem angestammten Platz niedergelassen hat, setzt sich kurzerhand um – nicht dass noch jemand auf die Idee kommt, er könnte zum Initiativkomitee gehören.
Für ebendieses Initiativkomitee wird der Tag allerdings besser weitergehen als für ihn.
Als Staatsschreiberin Barbara Schüpbach um 12 Uhr verkündet, dass die Bevölkerung die Klimagerechtigkeitsinitiative angenommen hat, bricht die in rote Westen gewandete Gruppe in Jubel aus.
Weniger laut, aber doch sichtbar freut sich eine Gruppe von Grossräten und Parteipolitikerinnen, als Schüpbach einige Sekunden später mitteilt, dass der im Grossen Rat entstandene Gegenvorschlag einen beeindruckenden Ja-Stimmen-Anteil von über 60 Prozent erreicht hat.
Darunter sind etwa die glücklichen Gesichter von SP-Co-Präsidentin Lisa Mathys, GLP-Nationalrätin Katja Christ oder Mitte-Grossrat Franz-Xaver Leonhardt auszumachen.
Und dann schreitet Schüpbach zur entscheidenden Frage: Was wird denn nun umgesetzt – Initiative oder Gegenvorschlag? Wie hat sich die Stimmbevölkerung in der Stichfrage entschieden?
Sie liest das Ergebnis vor: Über 60 Prozent der brieflich eingegangenen Stimmen geben dem Gegenvorschlag den Vorrang.
In langen Sitzungen der Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission hat der Grossrat und Solarunternehmer Daniel Sägesser den Gegenvorschlag mitgeprägt. Er hat seine Partei, die SP, gegen jungsozialistische Kräfte, die aufs Tempo drückten, die auf «klimaneutral bis 2030» drängten, davon überzeugt, sich in der Stichfrage für den Gegenvorschlag zu entscheiden.
Weniger euphorisch sieht die Gruppe des Nein-Komitees, unter anderem bestehend aus LDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein, dem geflüchteten Beat K. Schaller und dem Direktor des Basler Gewerbeverbands, Gabriel Barell, aus. Die Leute, deren Interessen sie vertreten, dürften am meisten unter den Massnahmen leiden: Hausbesitzerinnen, Autofahrer und nicht zuletzt Basler Unternehmen. Schon früh machten mehrere Verbände darauf aufmerksam, dass das ambitionierte Klimaziel nicht zu schaffen sei.

Es ist wieder einer jener Abstimmungssonntage, an denen Barell fürchtet, dass weitere Unternehmen den Stadtkanton verlassen könnten. Einer jener Abstimmungssonntage, an denen er sich fragt, weshalb es nicht besser gelingt, die Stimmbevölkerung im linken Stadtkanton für die Probleme der Klein- und Mittelunternehmen zu sensibilisieren.
Auf stur schaltet Barell deshalb aber nicht.
Er werde sich mit den Politikerinnen und Politkern zusammensetzen, um über jene Massnahmen, die in den nächsten fünfzehn Jahren auf die Bevölkerung zukommen, zu sprechen.
Darüber ist einer besonders froh: Regierungspräsident Beat Jans (SP). Er hat die Verkündung der Abstimmungsresultate ebenfalls im Rathaus verfolgt. Obwohl die Regierung zu Initiative und Gegenvorschlag die Nein-Parole herausgegeben hat, wirkt Jans, der den Ausdruck der «Basler Klimaloki» geprägt hat, nicht besonders traurig. Eher wirkt er überrascht, dass selbst die Initiative auf so viel Zuspruch gestossen ist.
Als besonders wichtig erachtet es Jans, das Gewerbe mit an Bord zu haben. «Wir möchten dieses Ziel, netto null bis 2037, nicht auf Kosten des Gewerbes erreichen.» Es liege ihm viel daran, mit dem Gewerbeverband zusammen nach Lösungen zu suchen.
Auf das lokale Gewerbe dürfte in den nächsten fünfzehn Jahren viel zukommen. Nicht nur, was die Verkehrswende betrifft. Es ist auch gefordert, Solaranlagen zu installieren, Heizungen zu ersetzen oder Gebäudehüllen zu sanieren.
Es ist fast ein bisschen ironisch, dass es nun ausgerechnet die Gegner der beiden Vorlagen sind, auf denen die Hoffnung ruht, diese Energiewende zu schaffen.
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