Alternative und junge Kultur fördernBasel-Stadt gibt jetzt grosszügig Trinkgeld
Eine Viertelmillion Franken investiert die Kulturabteilung des Präsidialdepartements zurzeit in 29 ausgewählte Rechercheprojekte. Was daraus am Ende wird, wird sich zeigen.

Für die Recherche «Der Clown, die Weiblichkeit und wir» erhält die Compagnie Karotkiss 15’000 Franken vom Kanton Basel-Stadt. Für die Recherche «Auf der Suche nach weiblichem Wissen» erhält Anina Jendreyko 5000 Franken. Und, um ein weiteres Beispiel zu nennen, mit 10’000 Franken berücksichtigt wurde die Recherche «Clash of Patterns – hierarchische Strukturen beim Musizieren» von Mira Pozzi und Xenia Wiener.
Das ist ein erster, konkreter Effekt der Trinkgeldinitiative, die am 29. November 2020 von der Basler Stimmbevölkerung mit 33’020 Ja-Stimmen gegen 24’007 Nein-Stimmen angenommen wurde. Ihr erklärtes Ziel: Die Basler Jugend- und Alternativkultur soll gestärkt werden.
Dass von einem Trinkgeld die Rede ist, lässt sich leicht erklären: In den Augen der Initianten – sie stammten im Wesentlichen aus dem Umfeld des ehemaligen Rockfördervereins (RFV), heute Musikbüro Basel – investiert der Kanton sehr grosszügig in die althergebrachte, klassische Kultur, aber nicht in das, was die Jungen wollen und brauchen.
Die Forderung lautete deshalb: Fünf Prozent des Kulturbudgets des Kantons sollen künftig für junge und alternative Kunst verwendet werden.
Sollen andere «bestraft» werden?
Im Vorfeld der Abstimmung war einer der Diskussionspunkte, ob denn diese fünf Prozent bei einer allfälligen Annahme der Initiative vom Budget der anderen abgezwackt würden. Im Umsetzungsvorschlag, der vom Regierungsrat ausgearbeitet wurde – und vom Grossen Rat akzeptiert –, sah man davon ab, zum Beispiel das Theater Basel (rund 47 Millionen Franken Subvention pro Jahr alles in allem) oder das Sinfonieorchester (9,9 Mio. pro Jahr alles in allem) zu «bestrafen». Auch die fünf staatlichen Museen erhalten nicht plötzlich weniger Geld.
Stattdessen wurde das Budget für die Kultur entsprechend erhöht. Die Rechnung ist recht einfach. Bei einem Gesamtbudget von 132,8 Mio. Franken (Stand 2022) – der Verwaltungsaufwand des Präsidialdepartements (PD) von rund 5 Mio. ist bereits abgezogen – entsprechen 6,6 Mio. diesen von den Stimmberechtigten gutgeheissenen 5 Prozent. Da der Kanton aber schon bisher Geld in die Jugend- und Alternativkultur investierte, zieht er diese rund 3,5 Millionen von den 6,6 ab. Das heisst, es werden gut 3,1 Mio. zusätzlich in die Jugend- und Alternativkultur investiert.
Dabei sieht der Regierungsrat eine Art Steigerungslauf vor. Also nicht sofort zusätzlich 3,1 Mio. ausschütten, sondern über drei Jahre verteilt mehr und mehr Beiträge sprechen, bis der Betrag voll ausgeschöpft ist. Im Jahr 2022 waren 1 Mio. Franken mehr budgetiert. 2023 sollen es etwa 2 Mio. werden und ab 2024 dann jährlich die errechneten 3,1 Mio.
Ein offenes Fördergefäss
In diesem Zusammenhang wurde jüngst dem Grossen Rat eine markante Aufstockung der jährlichen Kulturpauschale des Kantons auf knapp fünf Millionen Franken für die Jahre 2023 bis 2026 beantragt. Damit werde «ein für alle Kulturschaffenden offenes Fördergefäss» gestärkt, so die Regierung.
Gegenwärtig beläuft sich die Kulturpauschale auf 300’000 Franken pro Jahr – im vergangenen Jahr wurde sie um einen Nachtragskredit von 100’000 Franken erhöht. Mit der gestaffelten Aufstockung bis 2024 beantragt die Regierung nun eine markante Erhöhung auf durchschnittliche 1,25 Millionen Franken pro Jahr.
Dass man nun bei der konkreten Umsetzung dessen, was per Initiative erreicht wurde, gestaffelt vorgeht, ergibt gemäss Katrin Grögel, der Leiterin Kultur im PD, Sinn. Es müsse ja zuerst einmal ausgelotet werden, wo tatsächlich Bedarf nach einer Erhöhung der Mittel bestehe, sagt sie. Wer kommt infrage? Was kommt infrage? Und was bedeutet «Jugend- und Alternativkultur» genau? Zudem: Kann nur um dieses «Trinkgeld» bitten, wer im Kanton Basel-Stadt wohnt und arbeitet?
Neue Formen des Ausdrucks
«Jugend», so sagt Grögel, «haben wir mit nicht älter als 30 Jahre definiert.» «Alternativ» sei all das, was neue Wege des Ausdrucks, der Form, der Herangehensweise beschreite. Alternativ darf altersunabhängig sein. Und ja, ein Bezug zu Basel müsse schon gegeben sein, entweder über den Wohnsitz oder über die Tätigkeit. Ein Walliser könne in Basel kein «Trinkgeld» einsacken, es sei denn, er wohne hier oder er plane eine Veranstaltung in Basel. «Aber selbstverständlich berücksichtigen wir Kulturschaffende aus dem Kanton Baselland oder der Grenzregion, wenn sie ihren Arbeitsschwerpunkt in Basel-Stadt haben», so Grögel.
Das PD hat auch definiert, welche Institutionen genau ins Raster «Jugend- und Alternativkultur» passen. Das sind unter anderem das Junge Theater, der Kaskadenkondensator, das Dock Archiv- und Kunstraum und der Ausstellungsraum Klingental.
Und was genau wird jetzt gefördert? Die eingangs erwähnten Projekte sind Recherchebeiträge. Kulturschaffende können Ideen für die Konzeption von Filmen, für Bücher, für Performances eingeben und erhalten Beiträge im Bereich zwischen 5000 und maximal 20’000 Franken (wenn mehrere beteiligt sind). 2022 hat das PD dafür insgesamt eine Viertelmillion ausgegeben.
Gezielt gefördert werden soll künftig auch die Club- und Nachtkultur in Basel. Dort will man mit Beiträgen für «faire Löhne» sorgen und ein Programm «unabhängig von kommerziellen Mechanismen» ermöglichen. Auch Programme von Projekträumen, Off-Spaces, Plattformen und Netzwerken, die Dienstleistungen für die Alternativkultur anbieten, werden künftig förderwürdig.
235 Enttäuschte
Noch einmal zu den Recherchebeiträgen, denn dies ist etwas ganz Neues. 264 Projekte wurden eingereicht. Eine Jury hat davon 29 für förderungswürdig erklärt. Das hat all die Berücksichtigten erfreut. Die anderen 235 weniger. Da habe es zum Teil schon Erklärungsbedarf und Frust gegeben, sagt Grögel. «Aber das sind wir gewohnt. Bei den Kulturförderpreisen oder Atelierbeiträgen gibt es auch Absagen, die verkraftet werden müssen.» Allerdings rechne man damit, dass etwas Entspannung eintrete, wenn die Ausschreibung jedes Jahr stattfinde. Man würde es begrüssen, künftig mehr als bloss rund elf Prozent der Projekte berücksichtigen zu können.
Führt das zur Basler Kultur am Staatstropf? Können ein paar Glückliche jetzt mit regelmässigen Beiträgen rechnen? Katrin Grögel verneint dies. Genauso wie bei den Kunstkrediten gebe es kein Recht darauf, wiederholt auserwählt zu werden. «Und wenn wir einen Recherchebeitrag von 5000 oder 10’000 Franken sprechen, reicht dieses Geld ja höchstens für ein, zwei Monate. Die Absicht ist, den Kulturschaffenden eine Zeit zu gewähren, die sie voll und ganz ihrem Projekt widmen können.»
Ausser Recherche nichts gewesen? Geld à fonds perdu? «Nein», sagt die Leiterin der Abteilung Kultur. «Das Endprodukt darf zwar offen sein, aber wir verfolgen schon, was mit dem Geld passiert. Bei uns muss es arbeiten.»
In einer früheren Version des Artikels hiess es, Basel-Stadt habe bisher schon 2,5 Millionen Franken in die Alternativ- und Jugendkultur investiert. Das ist falsch. Es waren 3,5 Millionen.
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