Ausschaffungshaft wirkt
Kantone behandeln abgewiesene Asylanten ungleich, und der Bund kontrolliert zu wenig.

Die Glaubwürdigkeit der Schweizer Asylpolitik hängt auch davon ab, ob der Vollzug der Wegweisungen funktioniert und Ausreisepflichtige das Land wirklich verlassen. Dies klappt nicht in allen Kantonen gleich gut, wie ein Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) zeigt. Sie untersuchte im Auftrag der Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat (GPK) die Wirksamkeit der Ausschaffungshaft und ob diese zweck- sowie rechtmässig angewendet wird. Zwar entscheidet der Bund, ob Asylbewerber in der Schweiz bleiben dürfen. Der Vollzug der Wegweisungen obliegt jedoch den Kantonen.
Laut der PVK wirkt die Ausschaffungshaft: «Wenn mehr Personen inhaftiert werden, reisen auch mehr Personen kontrolliert aus», hält der Bericht fest. Bei den sogenannten Dublin-Fällen, die in das zuständige Erstasylland zurückkehren müssen, reisen 99 Prozent nach der Haft aus. Bei den abgelehnten Asylbewerbern, die in ihr Herkunftsland ausreisen müssen, bewirkt die Haft, dass 69 Prozent der Ausreisepflichtigen die Schweiz verlassen. Die PVK hat über 61 000 negative Asylentscheide untersucht.
Wer in Genf ist, hat Glück gehabt
Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den Kantonen. So wendet etwa der Kanton Obwalden die Ausschaffungshaft in 67 Prozent der Dublin-Fälle an und in 28 Prozent der Fälle, in denen jemand in den Heimatstaat ausreisen muss. Der Kanton Genf tut dies dagegen nur in 24 respektive in 4 Prozent der Fälle.
Die GPK kritisierte gestern diese Ungleichbehandlung. Zumal Asylbewerber nicht beeinflussen könnten, welchem Kanton sie zugeteilt werden, sagte Alfred Heer (SVP, ZH). Mit anderen Worten: Asylbewerber, die in Genf gelandet sind, haben Glück, jene im Kanton Obwalden Pech. Laut Bericht ist die unterschiedliche Praxis nur bedingt mit dem Alter, dem Geschlecht oder der Herkunft der Asylbewerber zu erklären. Wahrscheinlicher ist, dass die Ungleichbehandlung das Resultat unterschiedlicher politischer Präferenzen ist.
Neben dieser Ungleichbehandlung zeigt der Bericht zum Teil gravierende Mängel auf. Dazu gehört, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM) untergetauchte Personen ungenügend erfasst. Laut der PVK tauchte etwa ein Drittel der abgewiesenen Asylbewerber ab. Vielleicht sind es aber auch mehr – aufgrund fehlender Daten sind dazu keine verlässlichen Angaben möglich.
Nicht nur bei den Untergetauchten, auch sonst hapert es mit den Daten. So attestiert der PVK-Bericht dem SEM im Bereich des Wegweisungsvollzugs und der Ausschaffungshaft eine ineffiziente Datenverwaltung.
Lückenhafte Daten
Diese sei zudem durch Doppelspurigkeiten fehleranfällig und von beschränktem Nutzen. Auch in einigen Kantonen lässt die Art und Weise, wie man mit Daten umgeht, zu wünschen übrig. Laut PVK-Bericht waren die Daten in den Kantonen Thurgau, Neuenburg, Schaffhausen und Waadt von derart schlechter Qualität, dass diese Kantone von der Analyse ausgeschlossen wurden.
Dies ist insofern brisant, als dass das SEM aufgrund dieser Informationslücken die Wirksamkeit des Wegweisungsvollzugs nicht wirklich überprüfen kann. Und dies, obwohl der Bund seit Oktober 2016 gesetzlich dazu verpflichtet wäre.
Ausschaffungshaft für Kinder?
Bedenklich ist zudem, dass es offenbar Kantone gibt, die minderjährige Kinder unter 15 Jahren gemeinsam mit ihren Eltern in Ausschaffungshaft nehmen. Wie Alfred Heer gestern vor den Medien betonte, ist die Inhaftierung von Kindern gegen Gesetz und Kinderrechtskonvention. Diese Passage des PVK-Berichts ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen: Aufgrund der lückenhaften Datenlage lässt nicht sagen, wie häufig Kinder unter 15 im untersuchten Zeitraum inhaftiert waren.
Basierend auf den Resultaten des PVK-Berichts formulierte die GPK sieben Empfehlungen zuhanden des Bundesrats. Dieser soll dafür sorgen, dass untergetauchte Personen erfasst werden. Er soll auch sicherstellen, dass die Daten im Bereich der Administrativhaft korrekt erfasst und effizient verwaltet werden, damit das SEM die Aufsicht über den Wegweisungsvollzug wahrnehmen kann.
Zudem fordert die GPK eine Harmonisierung der kantonalen Praxis bei Anordnung und Vollzug der Ausschaffungshaft. Was die mögliche Inhaftierung von Kindern angeht, verlangt die GPK vom Bundesrat, die Fälle mit den Kantonen aufzuarbeiten und darüber Bericht zu erstatten. Für Minderjährige über 15 Jahren und ihre Begleitpersonen seien zudem kinderrechtskonforme Haftplätze einzurichten. Der Bundesrat hat bis Ende September Zeit für eine Stellungnahme.
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