Bulgaren umstellen Parlament – 20 Verletzte
2000 Menschen umzingelten in der Nacht das Parlament in Sofia und hinderten Dutzende Politiker daran, das Gebäude zu verlassen. Sie griffen sogar einen Bus an, der die Abgeordneten in Sicherheit bringen sollte.

Die bulgarische Polizei ist gewaltsam gegen die Belagerung des Parlaments in Sofia vorgegangen, mit der rund 2000 Demonstranten zahlreiche Politiker bis tief in die Nacht am Verlassen des Gebäudes hinderten. Bei den Zusammenstössen in der Nacht wurden mindestens 20 Menschen verletzt.
18 Menschen seien in zwei Spitäler eingeliefert worden, teilten Rettungskräfte mit. Zudem seien mehrere Demonstranten vor Ort medizinisch behandelt worden. Zu den Verletzten zählten den Angaben zufolge drei Polizisten.
Aus Wut über Korruption und Vetternwirtschaft demonstrieren seit Mitte Juni allabendlich tausende Bulgaren. Vor dem Parlamentsgebäude versammelten sich in der Nacht zum Dienstag etwa 2000 Demonstranten, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. «Mafia» und «Rücktritt» skandierten sie. Nach Angaben des Innenministeriums warfen Protestteilnehmer mit Steinen, Flaschen und anderen Gegenständen.
Politiker eingesperrt
Mit ihrer Belagerung des Parlamentsgebäudes hinderten die Demonstranten 109 Menschen, unter ihnen Minister und Abgeordnete, am Verlassen des Gebäudes. Am späten Dienstagabend wollte die Polizei einen Teil der Eingeschlossenen, zu denen auch Parlamentsmitarbeiter und Journalisten zählten, mit einem Bus herausholen. Da Demonstranten die Scheiben des Busses mit Steinen einschlugen, wurde die Aktion jedoch abgebrochen.
Erst gegen 03.30 Uhr durchbrach die Polizei eine von den Demonstranten errichtete Barrikade, um die Abgeordneten und Minister mit mehreren Kleinbussen abzuholen. Etwa eine Stunde später hatten alle Betroffenen das Parlament verlassen. In dem Gebäude hatten drei Kommissionen getagt, die mit einer Überarbeitung des Budgets für das laufende Jahr befasst sind.
Parlamentssitzung annulliert
Präsident Rosen Plewneliew warnte vor einer «Eskalation der Spannungen». Parlamentspräsident Michail Mikow sagte eine für heute geplante Parlamentssitzung ab. «Es ist nicht normal, dass das Leben und die Gesundheit von Abgeordneten in Gefahr gebracht werden», erklärte er.
Die Experten-Regierung von Ministerpräsident Plamen Orescharski hielt hingegen an einer Kabinettssitzung fest. Die Führung der Sozialisten, die Orescharski unterstützen, lehnten vorgezogene Neuwahlen erneut ab.
EU besorgt
Die Auseinandersetzungen in Bulgarien haben Besorgnis in Brüssel hervorgerufen. «Wir haben die Ereignisse in Sofia letzte Nacht mit Beunruhigung verfolgt», sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, wertete es im Deutschlandfunk als «ein gutes Zeichen», dass seit Wochen «grosse Teile der Bevölkerung einen Staat mit Rechtsstaatlichkeit und vor allen Dingen ohne Korruption erkämpfen wollen». Neuwahlen seien aber keine gute Lösung.
Der Politik-Experte Zwetosar Tomow hingegen sagte, eine vorgezogene Neuwahl erscheine «unvermeidlich», auch wenn sie wahrscheinlich ähnliche Ergebnisse bringe. Es gebe einen «politischen Krieg zwischen dem Volk und denen an der Macht».
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