Ausnahmezustand ausgerufen«Ausländische Söldner» sollen Haitis Präsidenten getötet haben
Den Mord an Präsident Jovenel Moïse sollen 26 kolumbianische Söldner und zwei US-Amerikaner begangen haben. Die politische Lage in Haiti ist angespannt.

Nach der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse machen Haitis Behörden mehr als zwei Dutzend Ausländer für die Tat verantwortlich. Ein Killerkommando aus «26 Kolumbianern und zwei US-Bürgern haitianischer Herkunft» sei an dem Attentat beteiligt gewesen, sagte der Chef der Nationalpolizei, Léon Charles, am Donnerstag. Bislang seien 17 Verdächtige festgenommen worden. Die Hintergründe des Mordes sind derweil völlig unklar. Die USA und Kolumbien boten ihre Hilfe bei den Ermittlungen an.
Der von Instabilität und Armut geprägte Karibikstaat droht angesichts eines Konflikts um die Nachfolge an der Macht noch tiefer ins Chaos abzurutschen. Der vor dem Mord designierte neue Regierungschef Ariel Henry stellte am Donnerstag die Legitimität von Interims-Ministerpräsident Claude Joseph in Frage, der wenige Stunden nach Moïses Tod den Ausnahmezustand ausgerufen hatte.
«Ein Kommando von 28 Angreifern»
«Es war ein Kommando von 28 Angreifern, darunter 26 Kolumbianer, die die Operation zur Ermordung des Präsidenten durchführten», sagte Polizeichef Charles. 15 der kolumbianischen Staatsbürger sowie zwei US-Bürger mit haitianischen Wurzeln wurden demnach festgenommen, drei Kolumbianer getötet. Acht Angreifer befänden sich noch auf der Flucht. Die Polizei hatte am Mittwoch zunächst von vier erschossenen «Söldnern» gesprochen.
Nach Angaben Taiwans wurden elf Verdächtige im Zusammenhang mit dem Mord auf dem taiwanischen Botschaftsgelände in Port-au-Prince festgenommen. «Eine Gruppe bewaffneter Männer» sei am Donnerstagmorgen in die diplomatische Vertretung Taiwans eingedrungen, sagte eine Sprecherin des Aussenministeriums in Taipeh am Freitag der Nachrichtenagentur AFP.

Aus Bogotá hiess es, dass offenbar mindestens sechs der kolumbianischen Beteiligten «ehemalige Mitglieder der nationalen Streitkräfte» seien. Er habe Polizei und Armee angewiesen, mit den haitianischen Behörden zusammenzuarbeiten, sagte Kolumbiens Verteidigungsminister Diego Molano.
Ein Sprecher des US-Aussenministeriums bestätigte, dass Haiti Unterstützung bei den Ermittlungen angefragt habe. «Die USA werden drauf eingehen», sagte er. Das Ministerium äusserte sich jedoch nicht zu Festnahmen von US-Bürgern.
Haiti bittet UN um Hilfe
Der 53 Jahre alte Staatschef Moïse war in der Nacht zum Mittwoch in seiner Residenz erschossen worden. Seine Ehefrau Martine wurde schwer verletzt und zur Behandlung in die gut 1000 Kilometer entfernte US-Stadt Miami gebracht. Die Zeitung «Le Nouvelliste» berichtete, Moïses Leichnam habe zwölf Einschusslöcher, zum Teil von grosskalibrigen Waffen. Haitis Botschafter in den USA, Bocchit Edmond, hatte die Attentäter vor den Festnahmen als gut ausgebildete und schwer bewaffnete ausländische Söldner bezeichnet. Sie hätten sich als Agenten der US-Drogenbehörde DEA ausgegeben.
Die UN-Sonderbeauftragte für Haiti, Helen La Lime, sagte am Donnerstag in einer Online-Pressekonferenz, dass Haiti den UN-Sicherheitsrat um zusätzliche Sicherheitsunterstützung gebeten habe. Es war zunächst unklar, um was genau es sich dabei handeln soll. Auch habe Haitis UN-Botschafter internationale Unterstützung bei den Ermittlungen zu den Hintergründen der Tat angefragt. La Lime betonte, dass die Vereinten Nationen zu Hilfe bereit seien. Auch die USA sind nach Angaben der Sprecherin des Weissen Hauses, Jen Psaki, dazu bereit. Voraussetzung sei, dass es eine formelle Bitte gebe.
Attentat hinterlässt ein Machtvakuum
Josephs Kabinett rief nach dem Attentat im ganzen Land den Ausnahmezustand aus. Die Regierung bekommt damit für zwei Wochen zusätzliche Befugnisse. Nun droht das Land mit seinen elf Millionen Einwohnern weiter in politisches Chaos abzugleiten, denn die Ablösung des Regierungschefs war bereits geplant.
Eine der letzten Amtshandlungen des getöteten Präsidenten war die Ernennung von Ariel Henry zum neuen Ministerpräsidenten. Er sollte ursprünglich in den nächsten Tagen Joseph ablösen.

De facto haben weder Joseph noch Henry die volle Legitimität. Für den Fall, dass der Präsident ausfällt, sieht die haitianische Verfassung vor, dass der Machtübergang unter der Kontrolle des Parlaments erfolgt. Dieses ist jedoch seit über einem Jahr nicht mehr handlungsfähig, da die Parlamentswahl unter anderem wegen Protesten gegen Moïse im Streit um das Ende seiner Amtszeit mehrfach verschoben worden war. Der 53-Jährige hatte das Land deshalb zuletzt per Dekret regiert.
International löste der Anschlag auf Moïse Entsetzen und Befürchtungen eines weiteren Abgleiten des Landes in Gewalt aus.
Moïse, der seit 2017 regierte, war äusserst unbeliebt. Ihm wurden Korruption, Verbindungen zu brutalen Banden und autokratische Tendenzen vorgeworfen. Proteste legten Haiti in den vergangenen drei Jahren immer wieder lahm. Zuletzt trieben blutige Kämpfe zwischen Banden um die Kontrolle über Teile der Hauptstadt Tausende Menschen in die Flucht. Am 26. September sind Präsidenten- und Parlamentswahlen sowie ein Verfassungsreferendum geplant. Joseph hat erklärt, an dem Datum festhalten zu wollen.
AFP/aru
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