Harley-Davidson Breakout 117Ausbruchs-Werkzeug
Die Harley-Davidson Breakout hat ein gründliches Update und den mit über 100 PS stärksten Motor der Company erhalten. Das fährt und tönt hervorragend.

Das Wetter in Südkalifornien war den Besuchern aus Mitteleuropa gnädig: Nach den Extrem-Regenfällen im März tauchte strahlender Sonnenschein die ungewöhnlich grüne Landschaft rund um den Küstenort Santa Barbara in leuchtende Farben. Das passte vorzüglich zu einem Motorrad, das man als Show-Grosstalent bezeichnen kann: Die Harley-Davidson Breakout 117 mit dem kryptischen Modellkürzel FXBRS hat im Grunde keinerlei Nutzwert – ausser den, aufzufallen und Spass zu machen. Mit ihrer Lackierung in «Baja Orange», dem vielen Chrom, den gefrästen und polierten 26-Speichen-Alurädern und dem peniblen Finish aller Teile ist sie ein echter Hingucker. Fast magisch angezogen folgen die Augen der Betrachter der eleganten Silhouette, streicheln den neuen 19-Liter-Tank, verweilen auf den drei Ziffern 1-1-7 auf dem sich frei in den Fahrtwind reckenden Heavy-Breather-Luftfilter. Der grösste Serienmotor der Amis ist eine Skulptur: Polierte Zylinderrippen, verchromte Stösselstangenhülsen, das Kult-V der beiden mächtigen Pötte.
Auch wenn die Breakout 117 eher ein Kunstwerk denn ein profanes Motorrad für stolze 26’900 Franken darstellt, so beherrscht sie doch auch den freudvollen Personentransport. Insbesondere gilt das für die Disziplin der Längsbeschleunigung: 168 Newtonmeter Drehmoment bei gern aufgesuchten 3500 U/min katapultieren den Fahrer pfeilschnell in jede gewünschte Umlaufbahn. Dabei dreht der 1923 Kubikzentimeter grosse V2-Motor des Typs Milwaukee Eight dermassen eilig durch das bis etwa 5500 U/min reichende Drehzahlband, dass sich des Piloten Pupillen anfangs auf ungeahnte Dimensionen weiten.
Pranken wie Grizzlys sind gefragt
Zur Beruhigung: Die Scheibenbremsanlage fängt die gerne zu schnelle Fuhre trotz nur einer Scheibe im schicken, mit 21 Zoll extrem grossen Vorderrad sicher wieder ein; allerdings darf der Fahrer für kernige Bremsmanöver nicht zu schmächtig sein. Die längst weltweit genutzte Mode, die Handhebel eines Motorrads weitenverstellbar auszulegen, hat sich offenbar noch nicht bis zu den Entwicklern im US-Staat Wisconsin herumgesprochen. Deshalb sind Mannsbilder mit Pranken wie Grizzlys deutlich im Vorteil, können sie doch den Handbremshebel mit der Rechten bestens umschliessen, was Normalos, wie etwa dem Autor, nicht möglich ist. Entsprechend weit muss unsereiner vorausschauen, weil er grosse Teile der technisch vorhandenen Bremskraft wegen zu kleiner Hände nicht nutzen kann.
Die Sitzposition auf der Breakout ist für kurze Ausbruchsversuche bestens gelungen, wird auf längeren Ausfahrten allerdings als anstrengend empfunden. Der Fahrer sitzt nur 66,5 Zentimeter oberhalb des Asphalts, ergreift leicht vornübergebeugt den recht weit vorne montierten Drag Style Lenker und muss zugleich die Beine kräftig nach vorne recken, um die Rasten zu erreichen. Entsprechen die Stiefel nicht mindestens der Grösse 45, ist der linke Fuss zum Schalten extraweit nach vorne zu strecken und zugleich in kurzen Abständen zu heben, um einen Gang höher schalten zu können.
Angesichts des gewaltigen Beschleunigungsvermögens der Breakout ist in diesem Fall eine besonders ausgeprägte Koordinationsfähigkeit von Händen, Armen, Beinen und Fussgelenken von Vorteil. Gepolstert ist der Sitz gut, auch gibt er dem verlängerten Rücken guten Halt. Dass die Federung eher sportlich ausfällt, darf bei diesem bildschönen Chopper nicht verwundern. Aber keine Sorge: Auch wenn das Starrrahmen-Design das völlige Fehlen einer Hinterradfederung vermuten lässt – es gibt eine, aber sie hat eben nur einen Arbeitsbereich von 8,6 Zentimetern. Damit lassen sich Fahrbahnunebenheiten über 5 Millimeter natürlich nur beschränkt eliminieren.
Eine besonders gelungene Akustik
Die Telegabel macht ihre Sache im Rahmen der 13 Zentimeter Federweg gut. Auch mit der Schräglagenfreiheit kann man zufrieden sein; ein Chopper ist halt nun mal kein Sportbike, auch wenn die Kraft – neben dem Drehmoment gilt es ja auch noch 76 kW/103 PS Leistung bei 5020/min – es mitunter anderes suggeriert. Die Höchstgeschwindigkeit der 310-Kilo-Maschine ist in der Schweiz kein Thema. Gerne schaut man dagegen auf das stylische Anzeigedisplay am Lenker; auch der nun serienmässige Tempomat, das jetzt installierte Keyless-System und die ab Sommer lieferbare Antischlupfkontrolle überzeugen.
Auch wenn Harley-Davidson mit der Livewire bereits 2019 ein Elektromotorrad vorgestellt hat, so ist für die Amerikaner das Brumm-brumm-Zeitalter keineswegs vorbei. Ganz im Gegenteil: Der für Harleys unverzichtbare Sound ist bei der Breakout 117 auf einem Spitzenniveau angekommen. Das bedeutet nicht maximale Lautstärke, sondern eine besonders gelungene Akustik.
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