Olympionike Sébastien SchneiterAus der Nussschale in die Formel 1 des Segelns
Der 25-jährige Genfer Sébastien Schneiter startet für die Schweiz an der prestigeträchtigsten Segelregatta der Welt. Künftig wird er übers Wasser fliegen.

Die Adelung nahm der Adelige gleich selbst vor. Mit warmen Worten begrüsste Sir Russell Coutts, Ex-Alinghi-Skipper, Olympiasieger und fünffacher Gewinner des America’s Cup, den Genfer Sébastien Schneiter im Segel-Olymp. Der 59-jährige Coutts gab dem 25-jährigen Schneiter und seinem Schweizer Team ab 2022 einen Startplatz im SailGP.
Der SailGP gilt aktuell als prestigeträchtigste Segelregatta der Welt. Pro Renntag werden drei Rennen à 15 Minuten ausgetragen. Gesegelt wird während eines Jahres an verschiedenen Orten, etwa Bermudas, Saint-Tropez, Cádiz, Sydney, Christchurch und in der San Francisco Bay. Russell Coutts leitet die Rennserie als CEO. «Nur die besten Segler und schnellsten Katamarane bestreiten den SailGP», betonte der Neuseeländer in Genf. Zu den Weltbesten zählt er auch Schneiter, der an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (2016) und in Tokio (2021) unter Schweizer Flagge segelte und in der Ein-Mann-Bootskategorie Finn einst Europameister wurde.

Sébastien Schneiter weiss genau, was da auf ihn zukommt. An den Olympischen Spielen in Tokio navigierte er eine 2-Mann-Jolle (49er-Bootskategorie) und wurde 14. In Zukunft wird er einen Katamaran für eine 5-Mann-Crew pilotieren, der mehr übers Wasser fliegt als fährt. Gewölbte Tragflügel unter dem Wasser, sogenannte Foils, katapultieren die Katamarane bei hoher Geschwindigkeit aus dem Wasser und machen sie zu veritablen Flugobjekten.
Steuerfehler sind fatal
Beim SailGP werden alle Boote nach demselben Bauplan erstellt. «100 Stundenkilometer schnell sind sie», weiss Schneiter. Mit 80 Stundenkilometern sei er auf dem Wasser schon unterwegs gewesen, sagt der Genfer. Ein hohes Tempo sei er sich also gewohnt, aber 20 Stundenkilometer Unterschied seien auf dem Wasser enorm. Taucht er bei hohem Tempo zu abrupt ins Wasser ein oder begeht er einen Steuerfehler, wird es für ihn und seine Crew lebensgefährlich. Statt Pinne und Ruder wird der 25-Jährige künftig einen Bordcomputer mit 32 verschiedenen Funktionen bedienen.
Vom Quasi-Gokart-Fahrer steigt Sébastien Schneiter damit direkt zum Formel-1-Piloten auf, wobei er noch gar nie auf einem SailGP-Katamaran war. Sein künftiges Boot ist derzeit in einer Neuseeländer Werft in Bau und wird wegen Covid-bedingter Arbeitsunterbrüche erst Anfang 2022 ausgeliefert. Also geht er mit seinem Team, das der Genfer derzeit zusammenstellt, zunächst in einen Simulator, der in der nordirischen Hauptstadt Belfast steht.
Das Simulator-Training ist auch für Sébastien Schneiter nicht alltäglich. Mit einem Lächeln erinnert er sich daran, dass er einst als Bub in einem Optimisten, einem Miniboot, auf dem Genfersee unterwegs war. Je älter er wurde, desto stürmischere Winde wünschte er sich. Der segelbegeisterte Vater unterstützte seinen Sohn in allem und tut das bis heute – auch finanziell. In den letzten Jahren war Schneiter zunehmend auf den Weltmeeren anzutreffen. Auf die Olympischen Spiele in Tokio bereitete er sich auf der Insel Lanzarote vor.
Fitnessraum und Mentaltraining
Die wild-romantische Vorstellung, ein Profisegler steige am Morgen in sein Boot, segle ins offene Meer hinaus und kehre am Abend gebräunt in den Hafen zurück, bringt den 25-Jährigen zum Lachen. Die Realität sei etwas anders, korrigiert er. Er verbringe viel Zeit im Fitnessraum, arbeite intensiv mit einem Mentaltrainer zusammen und messe sich auf dem Wasser stets mit den besten Seglern der jeweiligen Bootsklasse.
Als Neuling in der Formel 1 des Segelns wird der 25-Jährige Geduld haben müssen. In den ersten beiden Saisons wolle er sich an die Besten herantasten, sagt Sébastien Schneiter. Im dritten Jahr dann aber um Trophäen mitfahren – oder eben mitfliegen.
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