Der beste Basler GoalieAus dem Nichts zur Nummer 1
Für Justin Hammel hatte es im Nachwuchs des FC Basel keinen Platz mehr. Dann wechselte der 20-Jährige auf diese Saison hin zu Stade Lausanne-Ouchy in die Challenge League. Bei den Romands ist er heute Stamm-Torhüter.

Der Zeitpunkt für einen Wechsel war ungünstig. Da waren Corona und eine abgebrochene Saison. Da war aber auch der Fakt, dass Justin Hammel in der U-21 des FC Basel keine Rolle spielte. In zwei Jahren bei der Reserve von Rotblau kam der Torhüter gerade mal auf drei Pflichtspieleinsätze. Zu wenig für einen 20-Jährigen, der von sich sagt, dass er sehr ehrgeizig sei.
Eine Veränderung musste also im Sommer 2020 her. Und Hammel begann zusammen mit seinem Agenten, sich nach einem neuen Club umzusehen – auch wenn er sich zunächst nicht viel Hoffnung machte. «Es gibt zahlreiche gute Torhüter in der Schweiz, aber nur wenige können spielen.» Spielen, das wollte er. Unbedingt.
Denn in seiner Juniorenzeit, die beim FC Oberwil begann und via den BSC Old Boys zum FCB führte, sah sich der Schlussmann vielmals in der Reservistenrolle. Beim FCB kam er nur bei der U-18 unter Alex Frei und Goalietrainer Jörg Stiel regelmässig zum Einsatz. Das hatte auch damit zu tun, dass er eine schier unendliche Verletzungsodyssee hinter sich hat.
12-jährig musste sich der Oberwiler erstmals an der Hüfte operieren lassen, mit 15 das dritte und bislang letzte Mal. «Ich konnte insgesamt fast ein Jahr lang nicht Fussball spielen und hatte einige Nachwirkungen», erzählt Hammel. Zwei Wochen Training, zwei Wochen Pause wegen muskulärer Probleme. Das zog sich durch seine gesamte Juniorenzeit – bis er 2019 in die U-21 aufstieg.
Auf höchster Nachwuchsstufe investierte er noch mehr Arbeit in die Kräftigung seines Rumpfs, seines Körpers. Mit Erfolg. Hammel sagt: «Seither habe ich keine Einschränkungen mehr.» Doch zum Spielen kam er nach wie vor nicht. Doch der Traum vom Fussballprofi lebte in ihm weiter.
So reiste Hammel, der unter Raphael Wicky mal für ein FCB-Trainingslager der ersten Mannschaft nach Rottach-Egern eingeladen wurde, im letzten Sommer ins Probetraining an den Genfersee. Bei Stade Lausanne-Ouchy hinterliess der Goalie einen so nachhaltigen Eindruck, dass der Wechsel in die Romandie bald beschlossene Sache war – auch wenn auf dem Papier «nur» als dritter Goalie. Doch bereits nach zwei Ligaspielen stieg Hammel zum Ersatzgoalie auf, sass fortan immer auf der Bank.
Hammel wusste aber, dass er beim Challenge-League-Club viel dazulernen kann. Und er hatte ein Ziel: im Aktivfussball Fuss zu fassen. «Eine meiner Stärken ist, dass ich mich rasch anpassen kann», sagt Hammel. So sei für ihn der Umzug nach Crissier, wo er in einer WG mit Teamkollegen wohnt, oder das Französischsprechen in der Mannschaft nur anfangs eine Umstellung gewesen.
Seit Januar im Dauereinsatz
Doch der erste Einsatz liess auch bei Lausanne-Ouchy auf sich warten. Bis nach der Winterpause plötzlich alles anders war. Stammgoalie Dany Da Silva verletzte sich im Training schwer am Knie, João Barroca beendete seine Karriere, Hammel stieg quasi aus dem Nichts zur Nummer 1 auf.
Trainer Meho Kodro setzte auf Hammel und verhalf ihm am 20. Januar gegen GC zum Debüt auf Profistufe. Die Partie ging 0:2 verloren, doch der Ex-FCB-Junior zeigte einige starke Reflexe. Seither hütet der Baselbieter das Tor des drittklassierten Lausanne-Ouchy und hat alle zehn Partien in diesem Jahr bestritten. «Ich bin angekommen», sagt Hammel. Auch, weil sein Kontrakt dank einer Option bereits vor seinem ersten Einsatz für den Challenge-Ligisten vorzeitig bis Sommer 2022 verlängert worden ist.
Damit ist Hammel der einzige beim FCB ausgebildete Goalie, der in den zwei höchsten Schweizer Ligen regelmässig eingesetzt wird. Überhaupt sind es nicht viele ehemalige Basler Junioren, die als Stammtorhüter in einer Profiliga gesetzt sind: etwa Yann Sommer bei Mönchengladbach oder Benjamin Siegrist bei Dundee United FC in Schottland.

Zu weit nach vorne blicken möchte der Goalie, der sich als moderner Spieler seines Fachs bezeichnet, aber noch nicht. Das Ziel ist klar: Mindestens bis im Sommer will er den Platz im Tor halten können und weiter ganz vorne in der Tabelle mitspielen, das nächste Mal am Freitag beim Gastspiel in Neuenburg.
Und dann ist da auch noch die Schule. Das Sportgymnasium in Liestal ermöglicht ihm Fernunterricht, nur für Prüfungen kehrt er gelegentlich zurück in die Heimat. Läuft es nach Plan, hat er im Sommer 2022 die Matur absolviert. Wo er dann fussballerisch steht, dazu möchte er keine Prognose wagen.
Lieber lebt der Leimentaler im Jetzt. Und geniesst es, Woche für Woche neue Erfahrungen zu sammeln. «Ich profitiere extrem», sagt Hammel über seine neue Rolle. Für einmal muss er also nicht hinten anstehen. Ganz im Gegensatz zum neun Monate älteren Jozef Pukaj, der mit den FCB-Profis trainierte und auch die Schweizer U-Nationalmannschaften durchlief. Mit ihm bildete Hammel das Goaliegespann im rotblauen Nachwuchs, Pukaj bekam zumeist den Vorzug.
Heute ist das anders. Jozef Pukaj ist die Nummer 2. Bei Stade Lausanne-Ouchy. Hinter Justin Hammel.
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