Auf der Suche nach Normalität
Der Weihnachtsmarkt in Strassburg ist nach dem Terroranschlag wieder geöffnet worden.

Zwei Nächte und zwei Tage hat die Jagd auf Cherif C. gedauert. 48 unruhige Stunden, in denen über Strassburg Hubschrauber kreisten und Hunderte Polizisten die Strassen nach dem mutmasslichen Attentäter durchkämmten. Dann wurde am Donnerstagabend der Mann von der Polizei erschossen, der auf dem Weihnachtsmarkt der elsässischen Stadt vier Menschen getötet und zwölf verletzt hatte.
Am Freitag nun sollte so etwas wie Normalität einkehren – und die Trauer vertrieben werden: Innenminister Christophe Castaner eröffnete am Vormittag den Weihnachtsmarkt wieder. Am Nachmittag wurde Emmanuel Macron erwartet. Frankreichs Präsident wollte die Angehörigen der Opfer besuchen, sich unters Volk mischen und der Polizei danken.
Es war Donnerstagabend, 21 Uhr, als einer Polizeistreife im Stadtteil Neudorf ein Mann auffiel, auf den die Beschreibung des mutmasslichen Attentäters passte. «Er flüchtete sich in den Hauseingang. Die Beamten wollten ihn stellen», berichtete am Freitag Anti-Terror-Staatsanwalt Rémy Heitz. «Da drehte sich der Flüchtige um und feuerte auf die Polizisten.» Er traf nur ihr Auto. Die Beamten reagierten mit einer Schusssalve – und töteten Cherif C.. Bei ihm fand man einen alten Revolver, wohl die Waffe, mit der er am Dienstagabend gemordet hatte, sowie Reservemunition und ein Messer.
Der IS bekennt sich
Nun konzentrieren sich die Ermittlungen nach Angaben des Staatsanwalts auf mögliche Komplizen von Cherif C.. Es geht um die Frage, ob ihm jemand bei der Vorbereitung seiner Tat geholfen hat, und vor allem darum, ob er auf seiner Flucht gedeckt wurde. Der 29-jährige Cherif C. war in seinem Heimat-Stadtteil Neudorf untergetaucht. Dank mehrerer Hinweise aus der Bevölkerung konnte die Fahndung schnell auf den Stadtteil im Strassburger Süden eingeengt werden. Eine Frau hatte berichtet, dass sie im Stadtteil Neudorf einem geschwächt wirkenden Mann mit bleichem Gesicht begegnet sei. Danach alarmierte sie die Polizei, weil sie die Armverletzung bemerkte, die sich Cherif C. bei einem Schusswechsel mit der Polizei nach dem Anschlag zugezogen hatte. Weitere Hinweise von zwei Männern brachten die Fahndung entscheidend voran. Sie sahen, wie ein verdächtiger Mann über Zäune gestiegen war.
Am Freitag befanden sich im Zusammenhang mit dem Attentat sieben Personen in Polizeigewahrsam: Die Eltern von Cherif C. , zwei seiner Brüder sowie drei nahe Bekannte. Laut Medien soll ein älterer Bruder ein polizeibekannter Gefährder sein. Nach dem Tod des mutmasslichen Angreifers bekannte sich der sogenannte Islamische Staat (IS) zu dem Anschlag. Cherif C. sei einer ihrer «Soldaten» gewesen. Frankreichs Innenminister wies das Bekenntnis der Terrororganisation als «total opportunistisch» zurück.
Waffen trotz Kontrollen
Castaner zufolge ist ein terroristisches Motiv von Cherif C. nicht ausgemacht. Zwar führte ihn der französische Geheimdienst als islamistischen Gefährder; er hatte wegen zahlreicher Überfälle und anderer Straftaten mehrfach im Gefängnis gesessen und sich während der Haft radikalisiert. Zeugen zufolge hatte er während der Bluttat am Dienstag «Allahu Akbar!» gerufen – arabisch für Gott ist gross. Dennoch steht die These im Raum, die Tat könnte eine Kurzschlussreaktion gewesen sein. Am Morgen der Tat hatten Polizisten im Zuge von Ermittlungen zu einer Strafsache seine Wohnung durchsucht, ihn aber nicht angetroffen.
Ungeachtet der Tatsache, dass Cherif C. erschossen wurde, ging am Freitag die politische Debatte um mögliche Fehler der Sicherheitsbehörden weiter. Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly – der ein Teil der Anti-Terror-Einheiten untersteht – wies Forderungen der konservativen und rechtsextremen Opposition nach präventiven Festnahmen von Gefährdern zurück. Frankreich achte die Grundfreiheiten, so Parly. «Man kann nicht jemanden festnehmen, nur weil man denkt, dass er vielleicht etwas begehen könnte.» Es sei zudem «sehr schwierig», auf öffentlichen Plätzen «100 Prozent Sicherheit» zu gewährleisten.
Cherif C. war es trotz Taschenkontrollen gelungen, mit Waffen auf den Strassburger Weihnachtsmarkt zu gelangen. Die Sicherheitslage in Frankreich bleibt auch nach seinem Tod angespannt. Dazu kommt, dass für heute die Bewegung der Gelbwesten zu neuen Demonstrationen gegen Emmanuel Macrons Wirtschaftspolitik aufgerufen hat. In den vergangenen Wochen waren am Rande der Proteste Hunderte Menschen verletzt worden, viele Geschäfte wurden zerstört. In Paris will die Polizei mit einem massiven Aufgebot von 8000 Einsatzkräften Gewalt unterbinden. Vertreter der Gelbwesten hatten in den vergangenen Tagen die Forderung der Regierung zurückgewiesen, nach der Attacke von Strassburg auf Demonstrationen zu verzichten.
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