Auf der Suche nach einem Königreich
Granit Xhaka gelang gegen Manchester United ein grosses Spiel, das auch seine Kritiker besänftigte.
Während Tagen hiess es in den englischen Zeitungen, Xhaka werde im grossen Spiel gegen Manchester United nicht spielen. Der Knöchel. Einen Nerv soll er dort eingeklemmt haben. Das Bedauern hielt sich in Grenzen, der fehlende Aufschrei widerspiegelt die Wahrnehmung von Xhakas Einfluss auf Arsenals Spiel. Er soll bescheiden sein. Xhaka ist in London nicht unverzichtbar, vor einer Woche gelang ihm gegen Tottenham wenig. Symbolisch für die Saison, sagen seine Kritiker.
Doch dann spielte Xhaka gegen Manchester United wider Erwarten doch. Angeschlagen, und doch aufgestellt – seine Nomination gibt einen Hinweis darauf, wie wichtig er in den Augen von Trainer Arsène Wenger ist – trotz aller Kritik.
Das Lob der englischen Zeitungen
Und Wenger behielt mit seinem Entscheid recht: Xhaka war neben seinem Kameraden Oxlade-Chamberlain der prägende Mann auf dem Platz. Er hatte am meisten Ballkontakte von allen Spielern, spielte am meisten Pässe, von denen 95 Prozent in der ersten Halbzeit ankamen – ein vorzüglicher Wert. Xhaka war aggressiv, aber fair, holte keine Gelbe Karte (war auch schon anders). Und ihm gelang ein Tor. Aus dreissig Metern holte er Anlauf, legte sich den Ball vor und schoss mit links. Der Ball zischte aufs Tor, glückliche Umstände wollten, dass sich Herrera in die Flugbahn einfand und der Ball seinen Rücken touchierte, darauf flog dieser mit einer wilden Kurve über De Gea ins Tor. 1:0 – der Grundstein zum Sieg.
Lob war dem Schweizer gewiss. Und weil er zeit des Spiels positiv auffiel, musste nach der Partie auch sein Trainer dessen Leistung einschätzen. Wenger sagte: «Xhaka hat heute wieder sehr gut gespielt. Überhaupt hat er sich in dieser Saison stetig verbessert, er gewinnt langsam, aber sicher an Format in der Spielfeldmitte.»
Als Xhaka in der 76. Minute mit Schmerzen ausgewechselt wurde, der Nerv zwickte wieder, standen die Zuschauer auf und klatschten, die Zeitung «Independent» nannte seine Leistung «superb», der «Guardian» widmete ihm gar einen ganzen Artikel, er trägt den Titel: «Xhaka könnte die Antwort auf die Albträume in Arsenals Mittelfeld sein.»
Der Satz hat seine eigene Schönheit, weist aber indirekt auch auf Arsenals Problemzone hin. Das zentrale Mittelfeld der Londoner ist seit Saisonbeginn eine einzige Baustelle. Meist will nicht viel gelingen, schon gar nichts Kreatives. Denn seit Santi Cazorla verletzt ist, müssen Spielertypen wie Elneny, Coquelin, Ramsey oder Xhaka das Spiel gestalten. Sie tun sich schwer damit, also haben Zeitungen und Fans nach bösen Geister gerufen, einen Sündenbock gesucht und ihn gefunden: den 45-Millionen-Mann Xhaka. Ein Fehleinkauf sei er. Und weil Xhaka lange Mühe hatte mit dem englischen Spiel und zu viele Karten holte, war in der Öffentlichkeit schnell sein Ruf geformt: undiszipliniert, ja gar ungenügend.
Dabei geht vergessen, dass Xhaka bereits in dieser Saison etliche glänzende Spiele gelangen, die aber weder im Fernsehen noch in der Presse Beachtung fanden. Und es geht vergessen, wie wichtig dieser Xhaka bereits für das Arsenal-Spiel ist. Das zeigt ein Blick auf das Spielfeld wie auch auf die Statistik. Der 24-Jährige spielt am meisten Pässe seiner Mannschaft und am siebtmeisten der Liga. Setzt man es in Relation zu der Anzahl Spiele, dann ist er mit seinen 71 Pässen pro Partie gar an dritter Stelle. Nur Liverpools Henderson und Uniteds Pogba sind besser.
Xhaka ist bestrebt, Einfluss auf das Spiel auszuüben, und die Mitspieler gewähren ihm diesen, indem sie ihm Mal für Mal den Ball hinlegen – mach was damit. In diesen Momenten scheint es, als habe Xhaka sein Königreich gefunden.
Ein Aber in der Kritik
Nur liegt in seinen Pässen noch viel Potenzial. Noch kreieren sie zu wenig Torgefahr, noch traut er sich nicht mit der Regelmässigkeit an 50 Meter lange Diagonalbälle, die man von ihm in Gladbach oder Basel gewohnt war. Obschon es auch hier ein Aber gibt: Wenn es einen in Arsenals Mannschaft gibt, der diese Pässe spielt, dann ist das Xhaka – auch gestern.
Arsenal holte Xhaka, damit dieser den Unterschied macht. Gegen Manchester United gelang ihm das wieder einmal. Er muss es wieder und wieder tun, damit die bösen Geister in London das Weite suchen.
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