
Zum kurzen Schwatz trafen sie sich im Ausgang einer Kurve. Zehntausende auf den Tribünen waren Zeugen der herzlichen Szene. Die beiden umarmten sich, Tom Lüthi beugte sich vor, um Dominique Aegerter etwas durch das Visier zuzuflüstern. Tätschelte dem Landsmann daraufhin auf den Helm und die Brust, und es wirkte, als sei er selbst nie zufriedener gewesen mit einem zweiten Platz. Weil er Aegerter den Sieg wirklich gönnte. Mit einer Schweizer Fahne stob dieser davon auf die Ehrenrunde.
Mit ihrem Doppelsieg beim regendurchtränkten GP von San Marino schrieben Aegerter und Lüthi ein starkes Stück Schweizer Motorsportgeschichte. Für Aegerter ist es der zweite Sieg seiner Karriere nach dem GP vom Sachsenring 2014 und ein Lichtblick nach drei trüben Jahren seither, Lüthi wiederum bringt sich in Position im Kampf um den WM-Titel. Weil Leader Franco Morbidelli – in Führung liegend und selbst verschuldet – ausgeschieden war, reduzierte Lüthi seinen Rückstand auf neun Punkte. Vier Rennen verbleiben bis zum Saisonfinal Mitte November in Valencia.
Aegerter war schon vor zwei Jahren in Misano dem Sieg nahe gewesen, ehe ihn Alex Rins aus dem Rennen spedierte. Es folgte ein Ritt auf der Achterbahn der Gefühle: eine Verletzung und das vorzeitige Saisonende, die Trennung vom Manager, die später revidiert wurde. Noch eine Verletzung und – vor zwölf Monaten – das Zerwürfnis mit seinem langjährigen Team. Von Zweifeln geplagt, wollte Aegerter einen Wechsel des Chassisherstellers erzwingen, zurück zum Schweizer Konstrukteur Suter. Sein Team wollte nicht, also unterschrieb er beim deutschen Rennstall Kiefer-Racing. Daraufhin wurde er intern suspendiert.
Und jetzt wohin des Weges?
Doch auch mit Suter lief es nicht wie gewünscht. In den ersten zwölf Rennen dieser Saison war Aegerter nur sechsmal in die Top 10 gefahren und nie auf das Podest. Lüthi, seit ihrer gemeinsamen Zeit beim Team von Olivier Métraux ein Freund, war ihm enteilt, kämpfte um den WM-Titel und wartete mit der Neuigkeit auf, dass er 2018 in die MotoGP aufsteigen wird. Und Aegerter? Der haderte plötzlich auch mit Suter: «Ich habe mehr erwartet.»
Im Regen von Misano bewies der 26-jährige Oberaargauer wieder einmal, welcher Renninstinkt in ihm steckt. Mit dem Sieg betreibt er ausserdem Werbung in Zeiten ungewisser Zukunftsaussichten: Zwar liegt ihm für 2018 von Kiefer eine Offerte auf Vertragsverlängerung vor, der Rennstall ist aber derart klamm, dass er sich kaum Testtage leisten kann. Der «Blick» schreibt von weiteren Interessenten aus der Moto2 und spekuliert trotz einer Trennung im Streit gar über eine Rückkehr zu seinem alten Team. Von allen Wendungen in Aegerters turbulenter Karriere wäre das die spektakulärste.
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Auf der Achterbahn
Erster und Zweiter – Dominic Aegerter und Tom Lüthi schreiben beim Rennen in Misano Schweizer Motorsportgeschichte.