In Basel aufgehobenAuch ukrainische Kunst hält sich nicht an Grenzen
Zahlreiche Kunstwerke aus der Kiewer Gemäldegalerie sind zu Gast im Kunstmuseum Basel. Sie sind Teil einer grossen europäischen Kunstbewegung.

Im vergangenen Frühling, der Krieg in der Ukraine hatte wenige Wochen zuvor begonnen, wandten sich Vertreter der Kiewer Gemäldegalerie an das Kunstmuseum Basel. Da sie in Kiew nicht über genügend Schutzräume für ihre Kunstwerke verfügten, waren sie auf der Suche nach Museen im Ausland, die Teile der Sammlung, die ihrerseits Teile des ukrainischen Kulturguts sind, für eine befristete Zeit aufnehmen und eventuell auch in einer Ausstellung zeigen würden.
Das Nationalmuseum Kiewer Gemäldegalerie zählt zu den bekanntesten Kunstmuseen der Ukraine. Es wurde im vergangenen November 100-jährig und befindet sich in Kiew in einem architektonischen Denkmal aus dem 19. Jahrhundert. Es handelt sich dabei um die ehemalige Villa des ukrainischen Unternehmers, Philanthropen und Sammlers Fedir Tereschtschenko, dessen Privatsammlung nach der russischen Revolution ebenfalls verstaatlicht und Teil des Museumsbesitzes wurde.
Bis zur ukrainischen Unabhängigkeit als Teil der Sowjetunion 1991 war die Institution als «Kiewer Museum für russische Kunst» bekannt. Seit 2014 engagiert sich das Museum überdies für eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Sammlung und ihrer Geschichte.
Politisches Statement
«Born in Ukraine» bringt Gemälde von 31 ukrainischen Künstlerinnen und Künstlern aus dem 18. bis 20. Jahrhundert nach Basel. Ein Augenmerk bei dieser Überblicksausstellung liegt auf dem politischen Statement. Das ist wichtig und richtig, da der Überfall Russlands auf die Ukraine alle etwas angeht. Zudem ermöglichen die beiden Schweizer Ausstellungen – gleichzeitig sind im Genfer Musée Rath ebenfalls Werke aus dem Kiewer Museum zu sehen – den zahlreichen ukrainischen Geflüchteten in der Schweiz, sich aktiv mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen.

Die eigentliche Kunst, und das ist bedauerlich, wird dadurch etwas marginalisiert. Dabei zeigt uns die Ausstellung manch Wissenswertes auf. Es ist interessant, zu sehen, welche Karrieren die ukrainischen Künstlerinnen und Künstler eingeschlagen und welche Einflüsse sie aufgenommen haben. So erinnert das «Bildnis der Kateryna Geh» von Stepan Jaremitsch technisch und im Ausdruck der dargestellten Person an Gemälde von Berthe Morisot oder Henri de Toulouse-Lautrec.
Und Petro Kontschalowskis 1913 gemalte «Pinien» leugnen die Einflüsse Paul Cézannes genauso wenig wie Dawid Burljuks «In der Stadt, Winter» die impressionistische Maltechnik. Künstlerische Einflüsse aus Frankreich, Deutschland und Italien, bevorzugte Reisedestinationen auch ukrainischer Künstler, lassen sich auch in anderen Werken ausmachen.
Gegenseitige Abhängigkeit
Dabei stellt sich die Frage, ob es denn eine genuine ukrainische Kunst überhaupt gibt und wenn ja, wie diese ausschaut. Die Ausstellung zeigt darüber hinaus, wie die Kontakte zwischen der Ukraine und Westeuropa einerseits und Russland andererseits seit Jahrhunderten verliefen. Künstler wie Dawid Burljuk oder Ilja Repin assoziieren wir gemeinhin mit russischer und nicht mit ukrainischer Kunst, und zahlreiche der gezeigten Künstler waren auch in beiden Ländern tätig.
Und noch was ist interessant: Die Ausstellung im Kunstmuseum ist in den Räumen zu sehen, die gewöhnlich der Basler Kunst vorbehalten sind. Und auch zu ihr lassen sich verwandtschaftliche Verbindungen, zu Werken von Jakob Emanuel Handmann, Arnold Böcklin, Carl Burckhardt, Niklaus Stoecklin, Numa Donzé und Karl Moor, ausmachen.
Daraus lässt sich folgern: Wir sitzen alle im gleichen Boot. Es geht nicht darum, die Unterschiede, sondern die Gemeinsamkeiten festzustellen und dieses Verbindende auch zu leben. Diese Ausstellung schliesst niemanden aus, sie verbindet und wirkt solidarisch. Und auch das ist politisch.
«Born in Ukraine. Die Kyjiwer Gemäldegalerie zu Gast». Kunstmuseum Basel, Hauptbau, St. Alban-Graben 6.12.2022 bis 30. April 2023. Freier Eintritt in die Ausstellung. www.kunstmuseumbasel.ch
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