Attentäter tötete US-Soldaten mit gezielten Kopfschüssen
Nur weil sich in der Pistole des 21-jährigen Mannes eine Patronenhülse verklemmte, starben nicht noch mehr Soldaten. Zuvor wollte der Täter von den Amerikanern wissen, ob sie nach Afghanistan in den Krieg ziehen würden.
Das Attentat eines Islamisten gegen US-Soldaten auf dem Frankfurter Flughafen ist dramatischer verlaufen als zunächst bekannt und hätte noch deutlich mehr Menschenleben kosten können.
Der 21 Jahre alte mutmassliche Täter habe auf seine Opfer jeweils gezielte Kopfschüsse aus nächster Nähe abgefeuert, sagte Bundesanwalt Rainer Griesbaum in Karlsruhe. Der aus dem Kosovo stammende Mann hatte am Mittwoch bei dem Angriff auf einen Militärbus der US-Luftwaffe zwei Soldaten erschossen und zwei weitere schwer verletzt.
Islamistischer Einzeltäter
Der Attentäter war nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft ein islamistisch geprägter Einzeltäter. Für ein vernetztes Vorgehen oder eine Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation gebe es derzeit keine Anhaltspunkte, sagte Griesbaum. Die Sicherheitslage sei unverändert. Es gebe «kein Indiz für einen bevorstehenden Anschlag einer planmässig vorgehenden Terrorgruppe».
Der Beschuldigte Arid U. mit Wohnsitz in Frankfurt am Main besitzt die serbisch-montenegrinische Staatsangehörigkeit. Zu seinem Tatmotiv hiess es, er habe Vergeltung für die Beteiligung von US-Soldaten am Militäreinsatz der Nato in Afghanistan üben wollen.
Nach Ruf «Gott ist gross» kaltblütig geschossen
Den Angaben zufolge näherte sich er sich am Mittwoch gegen 15.20 Uhr einer Gruppe US-Soldaten, die am Terminal 2 einen Bus der US-Luftwaffe bestiegen. «Sie waren sich keiner Gefahr bewusst», sagte Ermittler Griesbaum. Diese Situation habe der Beschuldigte ausgenutzt. Einen der Soldaten habe er «unter dem Vorwand einer Zigarette» gefragt, ob er nach Afghanistan in den Krieg ziehen werde. Nachdem der US-Amerikaner dies bejaht hätte, habe er dem arglosen, 25-jährigen Soldaten unvermittelt mit einer Neun-Millimeter-Pistole in den Hinterkopf geschossen. Das Opfer erlag seinen Verletzungen noch am Tatort.
Anschliessend bestieg der Beschuldigte den Bus, rief laut «Allahu Akbar» («Gott ist gross») und tötete kaltblütig den 21-jährigen Fahrer des Busses ebenfalls mit einem Kopfschuss. Im Bus ging er weiter und schoss er den Angaben zufolge auf zwei weitere Soldaten im Alter von 25 und 21 Jahren. Einer der beiden erlitt schwere Kopfverletzungen, der andere eine lebensgefährliche Brustverletzung.
14 Patronen im Magazin
Schliesslich versuchte der Attentäter, noch einen weiteren US-Soldaten durch Schüsse in den Kopf zu töten. Er habe dem 22-jährigen Soldaten die Waffe direkt vor den Kopf gehalten und zweimal den Abzug betätigt. Da sich jedoch eine Hülse im Auswurf der Waffe verklemmt hatte, konnte er keinen Schuss mehr abgeben. Er hatte den Angaben zufolge 14 Patronen in seinem Magazin.
Als er bemerkte, dass seine Pistole nicht mehr funktionierte, flüchtete er aus dem Bus. Jener Soldat, den er zuletzt zu töten versucht hatte, verfolgte den Attentäter jedoch. Schliesslich wurde Arid U. am Eingang in einer Flughafenhalle von diesem Soldaten und der Bundespolizei überwältigt und festgenommen. Seine Opfer habe der Mann letztlich «willkürlich» und «beliebig» ausgewählt, hiess es.
Haftbefehl erlassen
Griesbaum sagte, der 21-Jährige sei verdächtig, «staatsgefährdende Straftaten von besonderer Bedeutung» begangen zu haben. Die Mordtaten seien auch «bestimmt und geeignet», die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und auch die Sicherheit der in Deutschland stationierten Nato-Truppen zu beeinträchtigen. Deshalb habe die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen.
Am Donnerstagabend hatte der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) Haftbefehl wegen Mordes erlassen. Der Beschuldigte sei dringend verdächtig, heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen zwei US-amerikanische Soldaten getötet zu haben. Bei dem Versuch, drei weitere Angehörige der US-Armee zu ermorden, habe er zudem zwei der Soldaten schwer verletzt.
Verdächtiger verweigert Aussage
Der Mann hatte vor dem BGH-Ermittlungsrichter die Aussage verweigert. Es sei deshalb «verfrüht, von einem vollumfänglichen Geständnis zu sprechen», sagte Griesbaum. Bei seiner Erstvernehmung nach seiner Festnahme in Frankfurt habe sich der Mann noch «zum Tatgeschehen eingelassen und das Geschehen eingeräumt».
Der Beschuldigte hatte islamistische Internetforen besucht. Es lasse sich aber zur Frage der Radikalisierung des Mannes hier noch kein abschliessendes Ergebnis mitteilen, warnte Griesbaum vor voreiligen Schlüssen. Von den Ermittlern wird Arid U. als «sehr zurückhaltender Mann» beschrieben, der nur wenige Freunde habe und Internet, Fernsehen und Computerspiele als Hauptbeschäftigungen ansah.
«Der Krieg kehrt nach Deutschland zurück»
Arid U. soll einem Bericht der «Braunschweiger Zeitung» zufolge vor der Tat Kontakt zu führenden Mitstreitern des islamischen Vereins «Einladung zum Paradies» (EZP) aufgenommen haben, dem der Braunschweiger Imam Muhamed Ciftci vorsteht. Auf der Pressekonferenz der Bundesanwaltschaft wollten die Ermittler dies auf Nachfrage allerdings nicht bestätigen.
Der aussenpolitische Sprecher der Linken, Wolfgang Gehrcke, und Linke-Vorstandsmitglied Christine Buchholz sagten zu dem Anschlag auf dem Frankfurter Flughafen: «Es ist eingetroffen, was die Linke immer befürchtet hat: Der Krieg kehrt nach Deutschland zurück.» Die Rücksichtslosigkeit, mit der die NATO in Afghanistan vorgehe, schaffe eine grosse Bitterkeit in der muslimischen Welt. Die Beendigung des Krieges in Afghanistan und der sofortige Rückzug der Nato-Truppen sei «der einzige Schutz vor solchen Attentaten oder Terroranschlägen in Deutschland».
dapd/miw
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