Athen auf Koalitionssuche im politischen Trümmerfeld
Die Parlamentswahl in Griechenland war de facto eine Abstimmung über die Sparpolitik. 60 Prozent sagten Nein dazu. Nun stellt sich die Frage, wer das Krisenland künftig regieren wird.
Protestwahl in Griechenland: Frustriert von Wirtschaftsmisere und harschem Sparkurs sind die Griechen gestern bei der Parlamentswahl scharenweise den grossen Parteien davongelaufen. Gewinnen konnten kleine Gruppierungen am rechten und linken Rand.
Eine Regierungskoalition zeichnet sich derzeit nicht ab. Die beiden bisherigen Koalitionsparteien, die Nea Dimokratia des früheren Aussenministers Antonis Samaras und die sozialistische Pasok-Partei, kamen zusammen nur auf 32,4 Prozent der Stimmen. Die Mehrheit der Wähler stimmte gegen die Traditionsparteien und ihren Sparkurs, Linksradikale und Neonazis profitierten von der verbreiteten Unzufriedenheit.
60 Prozent gegen Sparkurs
Nea Dimokratia und Pasok erhalten laut den veröffentlichten Auszählungsergebnissen von rund 95 Prozent der abgegebenen Stimmen zusammen 150 der 300 Parlamentssitze – und haben damit keine Regierungsmehrheit.
Laut Verfassung sollen die Parteien innerhalb von zehn Tagen nach der Wahl eine Koalition bilden. Präsident Karolos Papoulias wird den Auftrag zur Regierungsbildung zunächst an Samaras geben, dessen Partei mit einem Stimmanteil von knapp 20 Prozent rund 108 Parlamentssitze errang.
Nach der Wahl muss die stärkste Partei innerhalb von drei Tagen eine Regierung bilden. Gelingt ihr dies nicht, erhält die zweitstärkste Partei das Mandat zur Regierungsbildung.
Ohne Einigung gibt es erneut Wahlen
Sollten sich die Parteien auf keine Koalition einigen, werden Neuwahlen anberaumt – ein Albtraum für die internationalen Investoren, da dann die Auszahlung der vom Internationalen Währungsfonds und der EU zugesagten Rettungsgelder ins Stocken kommen und Griechenland doch noch in den Bankrott abrutschen könnte. Damit das Geld weiter fliesst, muss Griechenland im kommenden Monat weitere Sparmassnahmen umsetzen.
Pasok und Nea Dimokratia hatten in den vergangenen Monaten in einer Regierung der nationalen Einheit zusammengewirkt, um die Sparbeschlüsse für das hochverschuldete Land auszuhandeln. Die Parlamentswahl kam einer Abstimmung über die unpopulären Sparmassnahmen gleich. Rund 60 Prozent der Stimmen gingen an Parteien, die diesen Kurs ablehnen.
«Weg in die Armut stoppen»
Die aus der Parlamentswahl als zweitstärkste Kraft hervorgegangene Syriza-Partei schlug die Bildung einer linksgerichteten Regierung vor, die das mit den internationalen Gläubigern ausgehandelte Sparpaket aufkündigt. «Unser Vorschlag ist eine linksgerichtete Regierung, die mit der Rückendeckung des Volkes das Memorandum (mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds) aufkündigt und den für unser Land vorgezeichneten Weg in die Armut stoppt», sagte der Syriza-Vorsitzende Alexis Tsipras. Die Syriza, die enge Kontakte zu den Linken in Deutschland unterhält, kam auf 16,4 Prozent der Stimmen.
Pasok-Chef Evangelos Venizelos rief zur Bildung einer «pro-europäischen Regierung der nationalen Einheit» auf. Nur so könne Griechenland die Krise überwinden, fügte der ehemalige Finanzminister hinzu, der mit EU und IWF den strikten Sparplan für sein Land ausgehandelt hatte. Angesichts der Zugewinne der Sparkurs-feindlichen Parteien gestand Venizelos ein, dass es «schwierig» werde, eine pro-europäische Regierung zu bilden.
Frage der Legitimität
Venizelos' Worten zufolge wird eine Zwei-Parteien-Koalition mit der Neuen Demokratie angesichts des erwarteten Wahlergebnisses nicht möglich sein. «Eine Koalitionsregierung des alten Zwei-Parteien-Systems hätte keine ausreichende Legitimität oder ausreichende Glaubwürdigkeit daheim und international, wenn sie nur auf eine knappe Mehrheit kommt», sagte er. Eine Regierung der nationalen Einheit aus pro-europäischen Parteien hingegen «hätte Bedeutung».
Vom Verlust der Grossen profitierten vor allem die zahlreichen angetretenen kleinen Parteien profitiert. 32 Parteien bewarben sich insgesamt, von denen zehn die Hürde von drei Prozent für den Einzug ins Parlament nehmen könnten.
Rechtsextreme im Aufwind
Erstmals im Parlament in Athen vertreten sein wird die Neonazi-Partei Chryssi Avgi (Goldene Morgenröte), die mit 6,9 Prozent der Stimmen auf 21 Abgeordnete kommt. Die Partei fordert die Ausweisung von Immigranten und eine Verminung der Grenze zur Türkei. Sie erhielt den Prognosen zufolge rund sieben Prozent. «Griechische Bürger brauchen keine Angst vor uns haben, die einzigen, die Angst vor uns haben müssen, sind Verräter», sagte der Parteichef von Goldene Morgendämmerung, Nikolaos Michaloliakos, der Nachrichtenagentur AP.
In den vergangenen sechs Monaten wurde Griechenland von einer Koalition aus Konservativen und Sozialisten unter Führung von Ministerpräsident Lukas Papademos regiert. Die Koalition wurde mit dem einzigen Ziel geschlossen, das zweite Rettungspaket und einen Anleihentausch sicherzustellen. Beides wurde Anfang April erreicht.
sda/dapd/ami
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