Geldberater: Der Marktschrei(b)erArbonia ist bereit, den Batteriemarkt aufzumischen
Lufthansas Erholung ist schon eingepreist | Richemont zeigt sich krisenresistent | Ems-Chemie hat Aufholpotenzial | Sulzer spaltet mit Medmix ein Filetstück ab

Arbonia: Kaufen
Die Gebäudetechnikerin Arbonia, Spezialistin für Klimasysteme und Türen, setzt auf die Energiewende. «Daraus schöpfen wir Zuversicht für ein auskömmliches Geschäft in den nächsten Jahren», sagte ihr Chef Alexander von Witzleben an einer Telefonkonferenz. Der Anteil energieeffizienter Gebäude ist noch immer klein und muss schnell wachsen, wenn der Green Deal der EU erfolgreich sein soll. Dementsprechend steuert das Unternehmen seine Investitionen, zum Beispiel in eine neue Fabrik für energieeffiziente Wärmepumpen in Tschechien. Besonders gut gefällt mir eine Batterie für Privathaushalte, die ohne das umstrittene Lithium auskommt und Anfang nächsten Jahres auf den Markt kommt. Damit können Privathaushalte Strom aus einer Fotovoltaikanlage für sonnenarme Stunden speichern und werden von den Energieversorgern unabhängiger, was viel Geld spart. Arbonia stellt sich für die Energiewende immer besser auf. Die Eigenkapitalquote ist hoch, ebenso die Liquidität. Seit Jahresbeginn haben die Valoren mehr als 30 Prozent zugelegt. Damit ist die Kursfantasie aber noch nicht zu Ende. Kaufen
Lufthansa: Meiden
Die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa, zu der auch die Swiss gehört, wird eine Kapitalerhöhung von über zwei Milliarden Euro durchführen. Die deutsche Regierung hatte Lufthansa in der Pandemie mit Krediten und Eigenkapital ausgeholfen. Nun will die Politik ihre Beteiligung reduzieren. Lufthansa gibt neue Aktien aus, um das Geld zurückzubezahlen. Grossinvestoren haben zugesagt, bei der Kapitalerhöhung dabei zu sein. Das Management sieht das als Meilenstein auf dem Weg zur Normalisierung. In diesem Quartal will man – klammert man Restrukturierungskosten aus – in die schwarzen Zahlen zurückkehren. Es läuft nicht schlecht: Viele Flugrouten wurden wiedereröffnet, die USA beenden bald das Einreiseverbot für europäische Touristen. Ich gönne Airlines und Touristinnen die neue Reiselust. Aber die Kranich-Aktie ist kein Schnäppchen. Eine vollständige Erholung des Geschäfts in den nächsten zwei Jahren ist schon im Kurs reflektiert. Dabei bleiben Risiken: Wenn Videocalls langfristig Geschäftsreisen ersetzen oder eine aggressive Covid-Variante auftaucht, wäre das Wehklagen gross. Meiden
Richemont: Kaufen
Wenn China hustet, landen häufig die Aktien von Richemont als erste auf dem Verkaufszettel der Investoren. Durchaus zu Recht, denn Asien ist der wichtigste Absatzmarkt von teurem Schmuck und edlen Uhren. Das Muster wurde auch während der jüngsten Turbulenzen rund um den Immobilienkonzern Evergrande wieder sichtbar, doch ich finde die Kurskorrektur übertrieben. Richemont ist vor allem für Uhren und Schmuck bekannt. Weniger bekannt ist, dass die Genfer auch ein wichtiger Player im Onlinehandel für Luxusgüter sind. Mit Marken wie Watchfinder, Yoox, Mr. Porter oder Net a porter sind sie im derzeit dynamischsten Absatzkanal der Luxusbranche präsent. Diese Diversifikation gefällt mir, auch wenn der Onlinebereich noch nicht profitabel ist. Zudem hat Richemont gezeigt, dass die Schmucksparte äusserst krisenresistent ist. Ganz allgemein profitiert der Konzern, wenn nun die Reiserestriktionen langsam gelockert werden und sich wieder mehr Feriengäste in den Boutiquen tummeln. Seit dem Allzeithoch Anfang August haben die Aktien fast 15 Prozent verloren. Ich sehe da eine Einstiegsmöglichkeit. Kaufen
Ems-Chemie: Dosiert kaufen
Die Aktien der Ems-Chemie weichen vom gewohnten Muster ab: Statt dem Gesamtmarkt davonzueilen, bekunden sie Mühe, ihm zu folgen. An Erklärungen fehlt es nicht. Ausser dass der Aktienmarkt als Ganzes Pause macht, die Bewertung hoch ist und Anlegerinnen wegen des chinesischen Immobilienmarkts verunsichert sind, spielt vor allem die Automobilindustrie eine Rolle. Sie steht für rund 60 Prozent des Umsatzes von Ems. Ihre Produktion ist wegen der Knappheit an elektronischen Bauteilen limitiert (Chipmangel). Nach Schätzungen dürfte dieser Engpass länger dauern als erst gedacht. Bis zu einer Normalisierung könnte es 2023 werden. Zulieferer wie Ems trifft das unmittelbar. Doch die verpassten Mengen sollten nicht verloren sein, sie dürften später nachgeholt werden. Dem Kurs schadet es dennoch. Seine jüngste Korrektur um fast 10 Prozent hat das Kurs-Gewinn-Verhältnis unter das Niveau anderer Vorzeigefirmen wie Geberit, Givaudan, Sika oder VAT Group gedrückt – historisch eine Ausnahme. Für Risikofähige sehe ich da Aufholpotenzial. Dosiert kaufen
Sulzer: Kaufen
Aus eins mach zwei: So geschieht es gerade bei Sulzer. Mein Portfolio freut sich. Die Aktie ist seit Mai um gut ein Drittel angestiegen. Der Grund dafür ist nicht nur, dass sich das Geschäft des industriellen Mischkonzerns insgesamt gut von Corona erholt hat. Die Kursavancen liegen vielmehr darin begründet, dass Sulzer ein kleines Filetstück des Konzerns per Ende Monat abspaltet. Die neue Firma Medmix entsteht aus der bisherigen Sparte für Applikatorsysteme. Die befasst sich mit dem präzisen Auftragen von Flüssigkeiten – nicht nur im medizinischen Bereich, sondern auch in der Kosmetik. Es ist ein lukratives Geschäft, und die Gewinnmarge ist rund doppelt so hoch wie sonst bei Sulzer. Da es mit den anderen Aktivitäten aber keine Berührungspunkte gibt, ist die Abspaltung durchaus logisch. Medmix ist ab Oktober an der Börse kotiert. Das Ganze erinnert mich ein wenig an Fiat und Ferrari: 2016 wurde der kleine Sportwagenhersteller aus dem grossen Autokonzern herausgelöst. Seitdem hat sich der Wert der Ferrari-Aktie verfünffacht. Darauf hoffe ich auch. Kaufen
Diese Kolumne wird von den Redaktorinnen und Redaktoren der «Finanz und Wirtschaft» verfasst. Sie haben sich verpflichtet, nicht in den entsprechenden Titeln aktiv zu sein. Wer die Tipps dieser Kolumne umsetzt, tut das auf eigenes Risiko. Die SonntagsZeitung übernimmt keine Verantwortung. Weitere Artikel der «Finanz und Wirtschaft» finden Sie unter www.fuw.ch
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