Arabischer Frühling führt zu mehr Geldwäscherei in der Schweiz
Noch nie gab es in der Schweiz so viele Verdachtsfälle auf Geldwäscherei wie 2011. Viele davon stehen im Zusammenhang mit arabischen Ländern. Die Behörden sehen sich mit einem neuen Problem konfrontiert.

In der Schweiz sind letztes Jahr viel mehr Fälle mutmasslicher Geldwäscherei gemeldet worden als im Vorjahr. Die Verdachtsfälle stiegen um 40 Prozent auf 1625. Ein grosser Teil der Zunahme steht im Zusammenhang mit dem arabischen Frühling.
Wie die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) in ihrem heute veröffentlichten Jahresbericht 2011 schreibt, standen 135 Fälle in einem Zusammenhang mit Personen aus Ägypten, Tunesien, Libyen und Syrien. Die von diesen Fällen betroffenen Vermögenswerte belaufen sich auf knapp 600 Millionen Franken.
Deutliche Zunahme der Fälle
Im Vorjahr hatte es zu Personen aus diesen Ländern noch keine Meldungen gegeben. Dass es nun letztes Jahr zu Meldungen kam, steht gemäss dem Direktor des Bundesamts für Polizei, Jean-Luc Vez, im Zusammenhang mit den Sanktionsentscheiden des Bundesrats gegenüber Angehörigen der dortigen Regimes.
Dass die Meldungen erst nach den Bundesratsverordnungen gemacht wurden und nicht schon vorher, wollte Vez nicht als eigentlichen Systemfehler werten. Wer eine politisch exponierte Person (PEP) sei, ändere sich im Laufe der Zeit. Zudem seine solche PEP manchmal willkommen und schon am nächsten Tag könnten sie «persona non grata» sein.
Auch ohne die Folgen des arabischen Frühlings ist eine deutliche Zunahme der gemeldeten Fälle festzustellen. In den letzten vier Jahren hat sich die Zahl der Verdachtsmeldungen verdoppelt. Die Gesamtsumme der letztes Jahr involvierten Vermögenswerte belief sich auf 3,3 Milliarden. Das ist so viel wie noch nie. Im Vorjahr waren bei 1159 Verdachtsmeldungen Vermögenswerte im Umfang von rund 850 Millionen Franken betroffen.
Wenige grosse Fälle
Auffallend ist, dass 2,2 Milliarden verdächtige Vermögenswerte auf nur 25 Verdachtsmeldungen zurückzuführen sind. Darunter befinden sich sieben Meldungen im Zusammenhang mit mutmasslichen Korruptionshandlungen, die Vermögenswerte von insgesamt 791 Millionen Franken betreffen.
Für Vez sind diese Zahlen nicht unbedingt ein Hinweis auf eine tatsächliche Zunahme der Geldwäscherei-Aktivitäten. Die Zunahme des Meldevolumens sei auch auf die immer besseren und wirkungsvolleren Kontrollmechanismen der Finanzintermediäre zurückzuführen, insbesondere der Banken, die das Gros der Fälle melden.
Schönfärberei?
Während die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke, Alliance Sud, in diesem Zusammenhang von Schönfärberei sprachen, zeigte sich die Bankiervereinigung über die Lorbeeren erfreut. Bei der detaillierten Analyse zeigt sich, dass die meisten Verdachtsfälle (knapp ein Drittel oder 497 Fälle) im Zusammenhang mit mutmasslichen Betrugsdelikten stehen. In 161 Fällen werden Betäubungsmitteldelikte als Vortaten der mutmasslichen Geldwäschereifälle angenommen. In 158 Fällen wird von der Vortat Bestechung ausgegangen.
Eine Abnahme ist erneut bei den Verdachtsfällen im Zusammenhang mit Terrorfinanzierung zu verzeichnen. Gezählt wurden noch 10 (Vorjahr: 13) Fälle. Betroffen waren Vermögenswerte von gerade noch 152'000 Franken.
Mehr Verdachtsfälle bei Geldtransfer
Nachdem in den letzten fünf Jahren die Anzahl Meldungen zu Transaktionen von Geldtransfer-Firmen abgenommen hatte, wurde in diesem Segment letztes Jahr eine Vervierfachung der Fälle auf 238 verzeichnet.
Die Meldestelle führt dies aber nicht auf einen neuen Trend zurück, sondern auf die Aufarbeitung älterer Verdachtsfälle durch einen der «Money Transmitter» genannten Finanzintermediäre.
Wegen der speziellen Art dieser Geschäfte ist es laut MROS-Chefin Judith Voney oft erst rückwirkend möglich, Verdacht auf Geldwäscherei zu schöpfen. Viele dieser Verdachtsfälle stehen im Zusammenhang mit Drogengeschäften von Angehörigen afrikanischer Staaten.
Viele Fälle landen bei Strafbehörden
Die Quote der an die Staatsanwaltschaft weitergeleiteten Fälle stieg letztes Jahr von 87 auf 91 Prozent. Dieser sehr hohe Wert zeugt laut der MROS von der guten Qualität der eingereichten Verdachtsmeldungen. Im Vergleich zum Ausland gebe es in der Schweiz zwar viel weniger Verdachtsmeldungen. Der Anteil an weitergeleiteten Fällen sei aber in der Schweiz viel höher, da im hiesigen System die Meldungen auf einem begründeten Verdacht für Geldwäscherei fussen müssten.
Wie viele Fälle unter dem Strich zur Anklage gelangen oder gar zu einer Verurteilung führen, ist laut Voney schwierig zu sagen, unter anderem wegen der zeitlichen Verzögerung. Gesichert ist, dass in 61 Prozent der zwischen 2002 und 2011 den Strafverfolgungsbehörden zugeleiteten Meldungen ein Entscheid über die Weiterführung des Verfahrens gefällt wurde.
Nur gerade in jedem 15. Fall – in 296 Fällen – erging ein Urteil. In 139 Fällen gab es einen Schuldspruch wegen Geldwäscherei.
SDA/mrs
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