Grosser Rat ist gegen VerfassungsänderungAngst vor dem Mensch-Tier-Vergleich
Die Mehrheit der Grossrätinnen und Grossräte möchte keine Grundrechte für Gorillas, Orang-Utans und Schimpansen. Die Grenze zwischen Mensch und Tier zu verwischen, kam nicht bei allen gut an.

«Grundrechte für Primaten» heisst die kantonale Initiative, welche die Organisation «Sentience Politics» im Jahr 2017 lanciert hatte. Am Mittwoch sorgte die Initiative im Basler Grossen Rat für eine angeregte Diskussion.
Sie fordert, das Recht auf Leben und auf körperliche und geistige Unversehrtheit nicht nur den Menschen – die ebenfalls den Primaten als Gruppe der Höheren Säugetiere zugerechnet werden –, sondern auch den nicht menschlichen Primaten wie Orang-Utans, Schimpansen und Gorillas zuzusprechen und die Kantonsverfassung entsprechend zu ändern.
Nachdem die Initiantinnen und Initianten genügend Unterschriften gesammelt hatten, war Uneinigkeit darüber entstanden, ob die Vorlage überhaupt rechtlich zulässig sei. Der Grosse Rat erklärte sie für ungültig. Das Appellationsgericht und das Bundesgericht widersprachen aber dieser Auffassung, weshalb die Basler Stimmberechtigten am 13. Februar 2022 darüber abstimmen werden.
Nur Grüne für Ja-Parole
Während die SP-Fraktion aufgrund innerparteilicher Uneinigkeit Stimmfreigabe beschloss, empfahlen die Grünen als einzige Fraktion, die Vorlage anzunehmen. Mit 55 Nein- gegen 25 Ja-Stimmen bei zwölf Enthaltungen beschloss der Grosse Rat aber schliesslich die Nein-Parole.
«Nicht immer ist das Recht auf Leben im Sinne des Tierwohls das höchst anzustrebende Gut», argumentierte GLP-Grossrätin Claudia Baumgartner, beruflich als Geschäftsführerin des Tierparks Lage Erlen tätig. Es sei beispielsweise nicht nur ethisch, einen Affen, der im Kampf mit einem anderen Affen schwer verletzt wurde und im Sterben liegt, von seinem Leiden zu befreien, sondern auch aus Sicht des Tierschutzes die richtige Entscheidung. Inwiefern diese Art von Sterbehilfe nach einer Annahme der Initiative zulässig oder strafbar wäre, ist abhängig von der derzeit noch unklaren Umsetzung auf Gesetzesebene.
Angst vor Vergleichen
Baumgartner stellte zudem die Frage in den Raum, welche Auswirkungen die Einführung von Grundrechten für nicht menschliche Primaten auf die rechtliche Stellung von Menschen haben könnte. Diese Frage beschäftigte auch Regierungsrat Lukas Engelberger (Die Mitte). «Wollen Sie diese Grundrechtsabwägung wirklich so machen wie beim Menschen? Ich habe Angst vor einem solchen Vergleich», sagte er.
Markus Schefer, Professor für Staatsrecht an der Universität Basel, sagt auf Anfrage dieser Zeitung: «Man kann sich schon die Frage stellen, ob gewisse, den Menschen zugesprochene Grundrechte dadurch relativiert werden.» Inwiefern die Einführung von Grundrechten für nicht menschliche Primaten negative Auswirkungen auf die Schutzwirkungen für Menschen haben könnte, sei aber abhängig von der Umsetzung der Initiative.
SP-Grossrat Christian von Wartburg ist ebenfalls Jurist, aber anderer Meinung als Schefer. Er sehe durch die Erweiterung des Schutzbereichs keine Verwässerung menschlicher Grundrechte, erklärte er in der Debatte und empfahl ein Ja zur Initiative. Laurin Hoppler, Grossrat des Jungen Grünen Bündnisses, argumentierte ebenfalls für ein Ja, tat dies aber auf einer viel grundsätzlicheren Ebene: «Wir müssen von der Vorstellung wegkommen, dass die Welt und andere Lebewesen nur für uns existieren.»
Ob Basel-Stadt in Sachen Tierschutz eine «weltweite Vorreiterrolle» einnehmen wird, wie es Hoppler formulierte, wird sich am 13. Februar 2022 an der Urne zeigen.
In einer früheren Version dieses Artikels wurde Grossrätin Claudia Baumgartner versehentlich der SP zugeordnet. Sie ist Mitglied der Grünliberalen Basel-Stadt.
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