«Angst habe ich noch nie gehabt»
Seit einem Jahr kickt Ex-FCB-Verteidiger Aleksandar Dragovic bei Dynamo Kiew – die Unruhen in der Ukraine machen ihn nicht nervös.

Aleksandar Dragovic, wobei stören wir Sie gerade?
Ich stehe mitten in Kiew, war eben auf der Bank. Ganz normale Tätigkeiten. Ich ärgere mich noch etwas über die Niederlage im Supercup, sonst geht es mir den Umständen entsprechend gut.
Wie viel bekommen Sie in Kiew von den Ereignissen in der Ostukraine mit?
Ganz ehrlich? Würde ich nie TV schauen und mit niemandem reden, ich würde hier in Kiew nichts mehr von den Problemen merken, die dieses Land hat. In der Hauptstadt hat sich das Leben inzwischen normalisiert. Und auch innerhalb der Mannschaft reden wir nicht mehr oft über Politik, sondern konzentrieren uns auf den Fussball. Auch wenn man sich mit den Ereignissen auseinandersetzt, sich informiert und einen vieles nachdenklich oder traurig stimmt, so ist parallel dazu doch auch der Alltag eingekehrt – im Wissen darum, dass sich das rasch auch wieder ändern könnte.
Aber der Abschuss der Maschine der Malaysia Airlines vor einer Woche ist unter den viel fliegenden Fussballprofis bestimmt eifrig diskutiert worden – oder etwa nicht?
Oh doch! Und wie! Unsere Situation war auch ziemlich speziell: Wir waren noch in Innsbruck im Trainingslager, als das passiert ist. Und am anderen Tag traten wir die Rückreise nach Kiew an, mit dem Flugzeug natürlich. Sie können sich vorstellen, dass viele ziemlich angespannt waren… Inzwischen ist ja der Luftraum gesperrt, nur über Kiew nicht.
Haben Sie vor dem Abflug gebetet?
Nein, ich nicht. Ich hatte auch nicht wirklich Angst.
Gilt das auch für die Monate zuvor?
Ja. Angst habe ich in meiner Zeit bei Dynamo Kiew noch nie gehabt. Das liegt einerseits daran, dass wir Spieler vom Club wirklich nach Kräften abgeschirmt, beschützt wurden. Aber andererseits wohl auch an meinem Wesen: Ich glaube daran, dass alles kommt, wie es muss. Ob ich nun ins Flugzeug steige oder auf die Strasse gehe – überall auf der Welt kann etwas passieren. Wenn ich eines Tages sterbe, dann sterbe ich.
Sie sollen nur zehn Gehminuten vom Maidan-Platz entfernt wohnen.
Zehn? Es sind sogar nur fünf Minuten bis zum Maidan.
Haben Sie die Februar-Demonstrationen dort live gesehen?
Nicht, als es wirklich gefährlich war, es auch Tote gab. Zumal wir in den Wintermonaten wochenlang im Trainingslager in Marbella waren. Aber ich habe auch schon die eine oder andere Menschenansammlung auf dem Platz gesehen. Und als alles vorüber war, ging ich auch hin, zumal dort viele Einkaufsläden sind. Da sieht man dann schon, das etwas los war. Da gibt es zerstörte Gebäude oder Brandspuren.
Gibt es Momente, in denen Sie sich nach Basel zurücksehnen?
Überhaupt nicht. Ich habe meinen Schritt noch keine Sekunde bereut. Natürlich war dieses erste Jahr sehr schwierig. Und vielleicht wird auch das zweite Jahr schwierig. Aber ich bin noch nie den leichten Weg gegangen. Ich mag Herausforderungen. Und ich glaube auch, dass ich in den vergangenen zwölf Monaten ordentlich gewachsen bin.
Inwiefern?
Wenn das Drumherum so unruhig ist, dann reifst du mental. Auch wenn ich grundsätzlich hier bin, um Fussball zu spielen, und mich auch darauf konzentriere, so habe ich mich daneben doch mit Dingen auseinandergesetzt, denen ich vorher weniger Beachtung geschenkt habe.
Sechs Spieler von Schachtjor Donezk haben ein Testspiel im französischen Annecy genutzt, um sich vom Club abzusetzen und nicht mehr in die Ukraine zurückkehren zu müssen. Hatten Sie schon ähnliche Gedanken?
Überhaupt nicht. Dafür war ich wütend, als ich nach dem Supercup las, wir hätten gegen Schachtjors B-Elf verloren. Ja, die sechs Spieler waren nicht da – aber nur zwei von denen waren auch Stammspieler. Bei uns fehlten vier Starter.
Also forcieren Sie auch keinen Wechsel?
Nein. Mir gefällt es bei Dynamo, und ich glaube, dass wir in dieser Saison eine gute Chance auf den Titel haben. Geht es um den Club, um die Stadt, dann kann ich mich nicht beklagen. Hier ist alles noch einen Tick professioneller, als es beim FCB war. Wir werden jeden Tag gewogen, inzwischen bin ich vier Kilogramm leichter als zu Beginn. Und Kiew ist eine grosse, schöne Stadt, das Beste in der Ukraine, zusammen mit Odessa.
Aber?
Im Fussball weiss man nie. Ich bin zwar nicht auf der Suche, aber vielleicht findet mich ja jemand? Stimmt dann alles, kann es schnell gehen. Und die Situation in der Ukraine, in Kiew, ist ja doch so, das in den nächsten Monaten mit allem zu rechnen ist.
Zum Beispiel damit, dass gar keine Meisterschaft gespielt wird.
Ja, zum Beispiel. Stand jetzt ist das allerdings kein Thema. Die Mannschaften aus der Ostukraine halten sich allerdings nun im Westen auf, auch ihre Spiele werden sie hier austragen.
Gehen all Ihre Teamkollegen so gelassen mit der Situation um wie Sie?
Ich weiss nicht. Ich bin einfach so.
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