Polizeieinsatz an Frauentag-Demo Amnesty fordert Untersuchung – Basler Staatsrechtler beurteilt das anders
Amnesty International fordert eine unabhängige Untersuchung des Polizeieinsatzes am Weltfrauentag. Verfassungsrechtsprofessor Markus Schefer hält dies derzeit nicht für nötig.

Seit der unbewilligten Demonstration am Weltfrauentag ist mehr als eine Woche vergangen. Die Kritik aber klingt nicht ab. An diesem Freitag meldete sich Amnesty International zu Wort. Die Non-Profit-Organisation äussert sich «sehr besorgt über die Haltung der Polizei gegenüber unbewilligten Demonstrationen».
Einkesselungstaktiken dürften nur eingesetzt werden, wenn von der Demo tatsächliche Gewalt oder eine unmittelbare Bedrohung ausgehe, steht in der Mitteilung. «Wird Einkesselung wahllos oder als Strafe eingesetzt, verletzt sie die Versammlungsfreiheit und kann auch andere Rechte wie das Recht auf Schutz vor willkürlicher Freiheitsentziehung und das Recht auf Bewegungsfreiheit verletzen», lässt sich die Juristin Alicia Giraudel zitieren.
Insbesondere wird der Einsatz von Gummigeschossen kritisiert. Eine Demonstrantin habe Amnesty erzählt, dass die «Polizeikräfte losschossen, als die Gruppe sich im Zuge der Einkesselung friedlich auf Teile der Polizei zubewegte». Die Demonstrantin habe sich nach eigenen Angaben Hämatome zugezogen und sei Zeugin geworden, wie «mindestens eine Person von einer Gummipatrone am Kopf getroffen wurde».
Der Sprecher der Basler Polizei, Adrian Plachesi, widerspricht der Darstellung, wonach die Polizei «auf Kopfhöhe der Demonstrierenden gezielt» habe. Sämtliche Personen seien innerhalb des Kessels kontrolliert worden. «Bei diesen Kontrollen machten keine Personen auf Verletzungen aufmerksam oder mussten durch die Sanität betreut werden.»
Schefer erinnert an Anti-WEF-Demo 2008
Amnesty fordert in einem Schreiben an die Basler Polizei unter anderem eine «umgehende, unabhängige, gründliche und wirksame Untersuchung» des Einsatzes vom 8. März. Die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen, auch entlang der Befehlskette, sollten «zur Rechenschaft gezogen» werden. Der Feministische Streik Basel wie auch Basta-Grossrätin Tonja Zürcher unterstützen die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung.

Anders beurteilt dies indes Staatsrechtsprofessor Markus Schefer. Er erinnert an die Anti-WEF-Demonstration 2008. Der damalige Basler Polizeikommandant wollte gemäss einem späteren Untersuchungsbericht Straftaten militanter WEF-Gegner verhindern. Am späteren Nachmittag des 26. Januar 2008 nahm die Polizei die ersten vermeintlichen Demonstranten fest. 66 Menschen wurden über Stunden im Waaghof festgehalten, 25 davon nachweislich zu Unrecht.
Am 1. Februar 2008 kritisierte Markus Schefer den Polizeieinsatz in dieser Zeitung. Noch am gleichen Tag wurde eine Administrativuntersuchung eingeleitet. «Ich nahm damals an dieser Untersuchung teil. Dort waren aber die Unregelmässigkeiten vonseiten der Sicherheitskräfte bedeutend offensichtlicher und schwerwiegender als heute», sagt er.
Im Nachgang zur Untersuchung vor fünfzehn Jahren haben sich der damals zuständige Regierungsrat Hanspeter Gass und sein Polizeikommandant bei den zu Unrecht Festgenommenen entschuldigt und angekündigt, ihre Praxis bei solchen Einsätzen zu überdenken.
Eymann leitet wohl keine Untersuchung ein
Die damalige Situation ist gemäss Schefer nicht mit jener am Weltfrauentag gleichzusetzen. Er habe die Vorfälle vom 8. März zwar lediglich in den Medien verfolgt. «Die Hinweise auf allfällige Unregelmässigkeiten, auf die ich dabei aufmerksam wurde, sind gegenüber jenen vor fünfzehn Jahren von erheblich geringerer Bedeutung.» Mit den Informationen, die ihm zum heutigen Zeitpunkt vorlägen, erscheine ihm die Einleitung einer Administrativuntersuchung «nicht erforderlich».
Die zuständige Regierungsrätin Stephanie Eymann dürfte in diesem letzten Punkt mit ihm einiggehen. In der Grossratssitzung vom Mittwoch sagte sie, der Einsatz sei «– wie gewohnt – kritisch nachbesprochen» worden und «war aus Sicht der Kantonspolizei verhältnismässig». Sowohl die Versammlungs- wie auch die Medienfreiheit sei «rechtmässig eingeschränkt» worden. Es habe im Vorfeld deutliche Anzeichen für eine gewalttätige Eskalation gegeben. Zudem sei vonseiten der Demonstrierenden keine Dialogbereitschaft vorhanden gewesen.
Demonstrantinnen könnten Strafanzeige einreichen
Den Demonstrantinnen bleibt die Option, eine Strafanzeige gegen die Polizei bei der Basler Staatsanwaltschaft oder aber eine Beschwerde bei der Ombudsstelle des Kantons einzureichen. Basta-Grossrätin Tonja Zürcher sagt, sie habe keine Kenntnis einer Anzeige. Die Staatsanwaltschaft verweist auf das Amts- und Untersuchungsgeheimnis und will keine Auskunft zu allfälligen hängigen Strafverfahren geben.
Mirjam Kohler/kha/SDA
Fehler gefunden?Jetzt melden.