Amerikanischer Journalist in Syrien entführt
Der Journalist James Foley wurde vor sechs Wochen im Norden des Landes von Bewaffneten verschleppt. Dies teilte seine Familie nun mit. Die UNO veröffentlichte derweil neue Opferzahlen des Syrien-Konflikts.

Im Norden Syriens ist ein freiberuflicher US-Journalist entführt worden, der unter anderem für die Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) berichtete. Der 39 Jahre alte James Foley wurde bereits vor sechs Wochen in der Stadt Taftanas in der Provinz Idlib von Bewaffneten verschleppt, wie seine Familie bekanntgab. Seitdem gibt es von dem erfahrenen Krisenreporter kein Lebenszeichen. Vollkommen unklar ist, wer Foley entführt hat und ob die Entführer Lösegeld wollen oder politische Forderungen haben.
Foleys Familie hatte die Entführung zunächst in der Hoffnung nicht öffentlich gemacht, dies könne eine Freilassung des Journalisten erleichtern. Sie entschied sich aber nach sechs Wochen, an die Öffentlichkeit zu gehen. «Wir wollen, dass Jim sicher nach Hause kommt, zumindest müssen wir mit ihm sprechen, um zu wissen, dass es ihm gut geht», sagte sein Vater John Foley.
Weiterer Journalist entführt
Zusammen mit Foley wurde am 22. November offenbar ein weiterer Journalist entführt, dessen Familie aber nicht will, dass sein Name bekannt wird. Foleys Fahrer und Übersetzer wurden laut Zeugen ebenfalls verschleppt, dann aber freigelassen.
Foley hatte seit März 2012 in Syrien rund 30 Videos für die AFP gedreht. Er arbeitete zudem für die US-Nachrichtenseite «GlobalPost» und mehrere US-Fernsehsender. Im vergangenen Jahr war Foley in Libyen von Kämpfern des früheren Machthabers Muammar al-Ghadhafi entführt worden, als er über die Rebellion gegen Ghadhafi berichtete. Er kam nach sechs Wochen wieder frei.
«Absolut neutral geblieben»
AFP-Chef Emmanuel Hoog rief die Entführer am Mittwoch auf, Foley umgehend freizulassen. «Er ist ein professioneller Journalist, der in diesem Konflikt absolut neutral geblieben ist.»
Zuletzt hatte Mitte Dezember die Entführung des US-Fernsehjournalisten Richard Engel durch regierungstreue Milizen in Syrien für Aufsehen gesorgt. Engel und sein Team kamen frei, als sich die Entführer mit Rebellen ein Feuergefecht lieferten.
Neue Welle der Gewalt
Das Jahr hat in Syrien mit einer neuen Welle der Gewalt begonnen. Bei einem schweren Luftangriff auf eine Tankstelle nahe Damaskus kamen nach Angaben von Aktivisten zahlreiche Menschen ums Leben. Ein Kampfflugzeug vom Typ MiG habe eine Rakete auf eine Tankstelle im Damaszener Vorort Mleiha abgefeuert, berichtete der örtliche Aktivist Mohammed Said via Skype. Bei dem Angriff seien Dutzende Menschen getötet oder verletzt worden, teilte die in Grossbritannien ansässige syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.
Aktivisten beschrieben nach dem Angriff ein regelrechtes Inferno. Auf einem Amateurvideo waren ein rund ein Meter tiefer Krater und mindestens zehn Leichen zu sehen. Mehrere Autos standen in Flammen und schwarze Rauchsäulen stiegen zum Himmel auf. Das Video wirkte authentisch und stand im Einklang mit weiteren Berichten über den Vorfall. «Viele der Leute, die da waren, wurden getötet», sagte Aktivist Said. «Auf dem Boden liegen Leichenteile.» Zum Zeitpunkt des Angriffs hätten viele Fahrer mit ihren Autos vor der Tankstelle gewartet. Wegen der Treibstoffknappheit im Land stehen die Menschen oft stundenlang für Benzin an.
UNO: 60'000 Tote
Warum die syrische Luftwaffe die Tankstelle angriff, war zunächst unklar. In den vergangenen Tagen war es in der Nähe bereits zu Gefechten zwischen Aufständischen und Regierungstruppen gekommen. Nach Angaben von Aktivisten flog die Luftwaffe auch Angriffe auf die Damaszener Vororte Maadamije und Deir al Asafir. «Seit gestern waren die Luftangriffe sehr heftig», sagte Said.
Unterdessen bezifferten die UNO die Zahl der Todesopfer seit Beginn des Aufstands gegen die Regierung von Präsident Bashar Assad vor 22 Monaten auf mindestens 60'000. Aktivisten und die Opposition waren bislang von rund 45'000 Toten ausgegangen. Das Hohe Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte teilte am Mittwoch mit, Experten hätten Opferzahlen von sieben verschiedenen Quellen, darunter auch Regierungsangaben, ausgewertet und seien für die Zeit zwischen 15. März 2011 und 30. November 2012 auf 59'648 Todesopfer gekommen. «Wir gehen davon aus, dass bis Anfang 2013 mehr als 60'000 Menschen getötet wurden», sagte UNO-Menschenrechtsbeauftragte Navi Pillay.
Eine halbe Million Menschen geflohen
Nach UNO-Angaben verlassen wegen der eskalierenden Gewalt zudem immer mehr Menschen das Bürgerkriegsland. Die Zahl der syrischen Flüchtlinge in den Nachbarstaaten sei im Dezember auf rund eine halbe Million gestiegen, teilte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) mit. Allein 84'000 Menschen seien im Dezember aus ihrer Heimat geflohen. In den Nachbarländern seien derzeit 478'000 Flüchtlinge registriert, insgesamt hätten sich 569'000 Syrer in die Nachbarländer abgesetzt. Mit 150.000 registrierten Flüchtlingen hat die grösste Gruppe in der Türkei Schutz gesucht, wie das UNHCR mitteilte. 130'000 Syrer seien in den Libanon geflohen und 120'000 weitere nach Jordanien.
Unterdessen wurden die Kämpfe im Norden des Landes immer heftiger. Rebellen griffen am Mittwoch einen Militärflugplatz nahe der Ortschaft Taftanas in der Provinz Idlib an. Unter den Kämpfern waren nach Angaben von Aktivisten auch Anhänger von Dschabhat al Nusra. Die islamistische Gruppe gilt als militärisch besonders schlagkräftig und war in den vergangenen Monaten immer häufiger an erfolgreichen Einsätzen der Aufständischen beteiligt.
dapd/AFP/mw
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