Am Zürichsee spielt der Markt für Wohneigentum verrückt
Ob in Zürich oder am Genfersee: Die starke Nachfrage treibt die Immobilienpreise in die Höhe. Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand bezeichnet die Entwicklung als besorgniserregend.
Von Jürg Zulliger In den letzten zwölf Monaten sind Eigentumswohnungen im Schweizer Durchschnitt 5,7 Prozent teurer geworden, Einfamilienhäuser 4,7 und Mietwohnungen 2,5 Prozent. «Die Wirtschaft läuft deutlich besser als noch im Frühling oder letztes Jahr erwartet», begründet Urs Hausmann, Ökonom beim Zürcher Immobilienberatungsunternehmen Wüest & Partner, die Entwicklung. Potenzielle Käufer müssen sich auf noch höhere Preise einstellen: Wüest & Partner prognostizieren in ihrer neusten Studie für die nächsten zwölf Monate Preisaufschläge bei Einfamilienhäusern von 2,2 Prozent und für Stockwerkeinheiten von 1,4 Prozent. Die Preise für Mietwohnungen sollen stabil bleiben, weil das Angebot an Mietobjekten etwas zugenommen hat. Hat sich eine Immobilienpreisblase aufgebaut? Die Schweizerische Nationalbank warnt seit einiger Zeit, die Entwicklung rund um den Immobilienmarkt sei besorgniserregend. «Je länger die expansive Geldpolitik andauert, desto grösser wird die Gefahr von Fehlentwicklungen», warnte Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand gestern an einem Vortrag im Tessin. Die SNB überwacht seit diesem Frühjahr zusammen mit der Finanzmarktaufsicht Finma in verstärktem Masse das Hypothekargeschäft der Banken. Ansgar Gmür, Direktor des nationalen Hauseigentümerverbandes, wird deutlicher: «An einigen Hotspots im Raum Genf oder Zürich spielt der Markt verrückt.» Vor allem bei Luxusobjekten führe dies zu Preisen «jenseits der Realität». In ihrer Studie gelangen Wüest & Partner zum Schluss, man könne nicht den Markt als Ganzes «unter den Generalverdacht» einer Überhitzung stellen. Die Experten haben alle Schweizer Gemeinden analysiert anhand von Daten wie dem Verhältnis Miet-/Kaufpreise, Bevölkerungswachstum, Neubautätigkeit und Preisanstieg. Das Ergebnis: Das grösste Gefahrenpotenzial geht derzeit von Eigentumswohnungen in rund 60 Gemeinden aus (siehe Grafik). Die Fachleute taxieren die Überhitzungsgefahr in diesen Kommunen als «sehr gross»; auf der Liste stehen auch 9 Gemeinden im Kanton Zürich. An der anhaltenden Bau- und Immobilieneuphorie sind verschiedene Akteure beteiligt: Die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte war in den letzten vier Jahren der stärkste Antrieb für den Wohnungsbau. Auch wenn die Zuwanderung netto etwas zurückging, bleibt sie eine tragende Komponente: Sie wird an Gewicht zulegen, je runder die Konjunktur läuft. Die Gehälter sind in letzter Zeit stärker gestiegen als die Teuerung, womit der Appetit auf die schönere, grössere und teurere Wohnung wächst, auch auf eine Zweit- oder Ferienwohnung. «Wir müssen uns auch im Klaren sein, dass sich die Einkommensverteilung verändert hat», sagt Urs Hausmann. Wer ohnehin schon ein hohes Salär erzielt, konnte in den letzten Jahren überdurchschnittlich zulegen. Dazu gehören Fachleute bei Banken und Hedgefonds, von denen viele von London an den Genfersee umgezogen sind. Wenn solche Klienten in Kauflaune sind, darf man sich nicht wundern, wenn manche Villa Jahr um Jahr zehn Prozent an Wert zulegt. Zahlreiche Banken verzeichneten nach der Finanzkrise einen grossen Zustrom an Kundengeldern, der sich grossenteils in den heimischen Hypothekenmarkt ergoss – Beispiel Raiffeisen und Kantonalbanken. In Kombination mit der Tiefzinspolitik der Nationalbank war dies das ideale Gemisch, um die Ausweitung der grossen Bautätigkeit zu finanzieren. Weil der Eigenheimboom schon seit vielen Jahren anhält und die Nachfrage im oberen Mittelstand zuerst gesättigt war, liegt es nahe, dass Hypothekenbanken auch weniger solvente Kunden als Kreditnehmer gewannen. Wie labil die Tragbarkeit der Objekte oft ist, lässt sich daran ermessen, dass schätzungsweise jeder zweite Käufer eines Eigenheims Pensionskassengeld zur Finanzierung einsetzt. Die Bauwirtschaft und Promotoren: Nach der Immobilienkrise der Neunzigerjahre war der Nachholbedarf ausgewiesen. Und Kapazitäten auf dem Bau waren nach wie vor reichlich vorhanden. Auf der Suche nach neuen Absatzmöglichkeiten schufen die Promotoren neue Produkte wie etwa Luxuswohnungen und Hochhäuser oder erschlossen sich Standorte, die vorher als Unorte vor sich her schlummerten. Felix Rapold, Immobilienmakler bei Kuoni Mueller & Partner, sagt dazu: «Die Anbieter im Raum Zürich haben die Preise für an sich vergleichbare Objekte jedes Jahr um 5 bis 10 Prozent angehoben.» Ganz obenauf schwingen derzeit Eigentumswohnungen in Zollikon, die für 30 000 Franken pro Quadratmeter auf dem Markt sind – noch mehr, als die Luxuswohnungen im Zürcher Mobimo-Tower kosten. Laut Fachleuten zeigen sehr lange Zeitreihen, dass sich die Immobilienpreise nicht auf Dauer von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung und den Löhnen abkoppeln können. Eine Korrektur auf die eine oder andere Weise erscheint deshalb unumgänglich, und sie wird dort heftiger ausfallen, wo die Preise am stärksten gestiegen sind. Zürcher Regionenrating, Seite 19 Einer der gefragten Wohnorte, wo die Gefahr einer Immobilienpreisblase sehr gross ist: Oberrieden im Kanton Zürich. Foto: Thedi Suter (Photoglob, Keystone)
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