Altersreform: Den Gegnern laufen die Leute davon
SVP, FDP und die grossen Wirtschaftsverbände bekämpfen die Reform der Altersvorsorge. Doch gewichtige Mitglieder positionieren sich anders.

Jetzt auch noch Centre Patronal: «Altersvorsorge 2020 – eine Gelegenheit, die gepackt werden muss», überschrieb der Waadtländer Arbeitgeberverband diese Woche ein Mediencommuniqué. Nicht nur die Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes und die Erhöhung des Frauenrentenalters hebt Centre Patronal als positiv hervor, sondern auch die koordinierte Revision von AHV und Pensionskasse und die Wahrung des Rentenniveaus. In der Bilanz sei diese Vorlage positiv, schreibt der Verband, und sie biete die Chance, bei der Reform der Sozialwerke wenigstens einen kleinen Schritt weiterzukommen. «Diese Gelegenheit müssen wir packen und die notwendigen Schritte unter Dach und Fach bringen.»
Er sei überrascht, sagt SVP-Generalsekretär Gabriel Lüchinger. Dass Centre Patronal so entscheiden würde, hat er nicht erwartet. Er wolle mit dem Verband das Gespräch suchen und ergründen, wie es dazu kam.
Als das Parlament vor zwei Wochen abstimmte, war klar: SVP und FDP lehnen die Reform ab, unterstützt von Economiesuisse, Arbeitgeberverband und Gewerbeverband. Auch auf linker Seite gibt es Widerstand. Westschweizer Gewerkschaftssektionen wollen das Referendum ergreifen, obwohl es wegen der Mehrwertsteuer-Erhöhung ein obligatorisches Verfassungsreferendum gibt.
Westschweizer Arbeitgeber sind dafür
Dass die organisierte Wirtschaft gespalten ist, zeigte sich früh. Noch bevor das Parlament Mitte März die Reform verabschiedet hat, liessen Gastrosuisse und Hotelleriesuisse, die Mitglieder beim Arbeitgeber- sowie beim Gewerbeverband sind, ihre Unterstützung verlauten. Die offizielle Parole steht allerdings noch aus. Die Ständeratsvariante, die im Parlament obsiegt hat, sei für die Hotellerie als Tieflohnbranche klar vorteilhafter, sagt Christophe Hans, Leiter Wirtschaftspolitik bei Hotelleriesuisse. Doch die Vorlage sei vervandsintern stark umstritten, und die definitive Parole werde von vielen Faktoren abhängen. Auch bei Gastronomiesuisse konnte man sich noch nicht einigen. «Wir sind intern am Berechnen und Schauen», sagt Gastrosuisse-Pressechefin Astrid Haida.
«Wir sind noch intern am Berechnen und Schauen.»
Entschieden hat sich hingegen die Fédération des Entreprises Romandes, der Westschweizer Arbeitgeberverband, der 27'000 Firmen und 80 Fachverbände zu seinen Mitgliedern zählt. Die Altersreform 2020 sei essenziell und müsse unbedingt reüssieren, schreibt die Fédération. Deshalb müsse man pragmatisch sein und gewisse Konzessionen machen. Zwar hätte es der Verband begrüsst, wenn die erste Säule nicht auf Kosten der zweiten gestärkt worden wäre. Doch nun unterstütze man die Vorlage, weil sie beim Volk so die besten Chancen habe.
«Ein Dachverband ist nie heterogen»
Auf der linken Seite schliessen sich die Reihen. Gewerkschaftsbund und VPOD sagen Ja, ebenso die SP-Frauen. Morgen Samstag werden sich wohl auch die Delegierten der SP an ihrer Versammlung im Tessin grossmehrheitlich für die Reformvorlage ihres Sozialministers aussprechen. Bei den Wirtschaftsverbänden hingegen lichten sich die Reihen. Was bedeutet das für die Gegnerschaft, und wie organisiert sie sich im Abstimmungskampf?
Der Arbeitgeberverband kommentiert die Vorgänge nicht. «Wir sagen nichts, bevor wir unsere Parole gefasst haben», sagt Martin Kaiser, Mitglied der Geschäftsleitung. Dies werde der Vorstand im Laufe des Monats April machen, das Datum will Kaiser nicht bekannt geben. Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler sieht es nicht so dramatisch. «Es ist das übliche Bild. Ein Dachverband ist heterogen, gewisse Mitglieder sind immer anderer Meinung.» Für die Volksabstimmung ist er trotzdem zuversichtlich, dass es ein Nein gibt: «Es gibt 2,2 Millionen Zweitklassrentner, die mehr bezahlen müssen, aber die 70 Franken nicht bekommen. Diese Sache ist noch nicht gelaufen.»
«Kein Ja von Herzen»
Den Kampagnenlead wird die FDP haben. Sie brütet derzeit über einer Kampagne, wie Pressesprecher Arnaud Bonvin sagt. Und sie evaluiert, mit welchen Partnern sie in den Abstimmungskampf zieht. Bonvin sagt zu den abweichenden Parolen von Wirtschaftsverbänden: «Das sieht eher nach halbherziger Zustimmung aus. Es ist kein Ja aus Freude. Insofern wird dieser Einfluss gering sein.»
«Das sieht eher nach halbherziger Zustimmung aus. Es ist kein Ja aus Freude.»
Die SVP werde sich an der Kampagne beteiligen, sagt Generalsekretär Lüchinger. Umfang und Art seien aber noch nicht definiert. «Bis zum 21. Mai hat für uns die Energiestrategie Priorität, dann erst konzentrieren wir uns auf die Altersreform.» Dass die SVP mit angezogener Handbremse in den Abstimmungskampf um die Altersreform steige, weil viele ihrer Basis die 70-Franken-Erhöhung der AHV-Renten guthiessen, dementiert Lüchinger: «Die Abstimmung im Parlament hat ein ganz anders Bild gezeigt. Es gab bei der SVP keine einzige Gegenstimme.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch