«Bauboom» im FrühmittelalterAls Reinach von Kriegern aus dem Norden besetzt wurde
Grabungen in Reinach machen klar: Der Baselbieter Ort erfuhr im 6. Jahrhundert eine «Masseneinwanderung». Die Einwanderer hinterliessen Langschwerter sowie Pelze aus Skandinavien.

Jetzt ist es klar: Reinach ist uralt und seit mindestens 2000 Jahren kontinuierlich besiedelt. Das sei für eine ländliche Siedlung bemerkenswert, sagt der Baselbieter Kantonsarchäologe Reto Marti bei der Präsentation des Jahresberichts der Archäologie Baselland.
Schon zur Zeit der Pfahlbauer stand hier vor 6000 Jahren ein Dorf, wie eine Notgrabung 2021 im Gebiet Fleischbachstrasse bestätigte. Aus der Römerzeit stammt der Name «Rinacum», von den germanischen Eroberern und Besatzern wurde er zu «Reinach» verändert. Die Germanen kamen, nachdem die römischen Truppen nach fast fünf Jahrhunderten die Rheingrenze preisgegeben hatten.
Neue Funde machen in Reinach die Landnahme der bewaffneten Neuankömmlinge für das 6. Jahrhundert fassbar, wie die Archäologen im letzten Jahr und in früheren Grabungen feststellten: In den Siedlungsabfällen und in Keramikresten findet sich zwischen 550 und 600 n. Chr. eine markante und schnelle Zunahme von ortsfremdem Material. «Wir haben es definitiv mit einer Migration zu tun», so Marti. «Diese führte zu einem Bauboom.»

Die Keramik deute auf den Oberrhein als Ursprungsgebiet. Doch wer waren die Einwanderer? Ein Blick auf das frühmittelalterliche Gräberfeld an der Baslerstrasse führt zu einem Grab eines fränkischen Kriegers, der sich mit seinen Waffen beerdigen liess: Langschwert, Kurzschwert, Lanze, Schild und die «Franziska», die fränkische Wurfaxt.
Stahl aus Damaskus
Dank modernster Methoden konnte festgestellt werden, dass das Schwert aus edlem Damaszenerstahl geschmiedet war. Dieser Stahl kam aus dem Orient nach Europa. Insgesamt wurden sechzehn der frühmittelalterlichen Gräber untersucht. Viele der Toten gingen schwer bewaffnet ins Jenseits. So auch der Mann in Grab 12. An seinem mit einer Tasche versehenen Gürtel trug er ein Kurzschwert. Neben ihm waren vier Pfeile deponiert. Ein in der Nähe gefundener Eisenring könnte zu einem zugehörigen Köcher gehören. Wahrscheinlich hatte er auch den Bogen im Grab. Dokumentiert wurden auch Fellreste. Diese stammen wohl von skandinavischen Eichhörnchen. Deren Winterfell wurde im Frühmittelalter als Innenfutter von Mänteln verwendet. Der Reinacher Fund ist einer der ältesten Belege dafür.
Später importierten die Wikinger diese Felle via Kiew und Nowgorod nach Mitteleuropa. Ob der Tote selbst aus dem Norden oder Osten stammt oder nur sein Mantel, lässt sich nicht eruieren. Dass das Baselbiet immer Durchgangsgebiet war, darauf deutet auch der ausgezeichnet erhaltene Teil eines spätrömischen Pferdegeschirrs hin, das bei Muttenz entdeckt worden ist. Es stammt möglicherweise von der iberischen Halbinsel und dürfte von einem Soldaten verwendet worden sein, der im Hardwald im noch sichtbaren römischen Wachturm die Rheingrenze gegen die Germanen verteidigte.
Wie die Ausgrabung in Reinach zeigt, vergeblich. Die Franken und Alemannen kamen trotzdem.
Archäologie Baselland: Jahresbericht 2021. Dokumentationen und Funde. Liestal 2022. www.archaeologie.bl.ch
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