«Als ob ein Fenster zur Hölle geöffnet worden wäre»
Der amerikanische Late-Night-Host Jimmy Kimmel wird dafür bezahlt, alle News ins Komische zu drehen. Beim Massaker von Las Vegas ist aber auch ihm nicht mehr zum Lachen zumute.
Bereits bei der Begrüssung des Publikums nach der Werbeunterbrechung versagt Jimmy Kimmels Stimme. Als er vom tragischen Ereignis zu berichten beginnt, das in Las Vegas – seiner Heimatstadt sowie derjenigen des Bassisten seiner Studioband und dessen Sohn am Saxofon – stattgefunden hat, ist seine Stimme nur noch ein Zittern. Den Tränen nahe spricht der ansonsten in jeder Situation souveräne Talkmaster den Familien sein Beileid aus.
Nachdem er in den letzten Wochen – wie immer – Seriöses, wie Gesetzesvorschläge im amerikanischen Gesundheitswesen, und Banalitäten, wie eine Pizza mit Kürbisgewürz, thematisiert hatte, hoffte er, dass sich der Lauf der Dinge wieder zum Normalen wenden würde. Doch statt wie ansonsten mit lockeren Sprüchen und Witzen zu trumpfen, verschlug es ihm die Stimme.
Traurig, gar verzweifelt hielt er einen zehnminütigen Monolog über die laschen Waffengesetze der USA. Er habe es sich gewünscht, dass die Sendung wie immer Comedy wäre, da er es hasse, über «solche Sachen» zu sprechen: «Viel lieber würde ich jeden Abend einfach lachen und die Leute zum Lachen bringen. Aber dies scheint in letzter Zeit schwierig geworden zu sein. Es fühlt sich an, als ob jemand ein Fenster zur Hölle geöffnet hätte.»
Verzweiflung über die Untätigkeit
Kimmel ist nicht nur traurig über die Ereignisse, es ist vor allem die Verzweiflung, die aus ihm spricht: «Wisst ihr, was geschehen wird? Wir beten für Las Vegas, Gesetzesentwürfe werden geschrieben, werden abgemildert, werden scheitern. Die NRA (National Rifle Association, US-Waffen-Lobby) wird mit ihrem Geld alles ersticken, und mit der Zeit werden wir uns ablenken und weitergehen. Und dann wird es wieder geschehen. Und wieder, und wieder.»
Er kennt die Probleme, wie wohl jeder andere Amerikaner auch, die die aktuellen Waffengesetze in den USA mit sich bringen: zu viele Waffen, zu wenig Regulierung. Jimmy Kimmel prangert jedoch auch diejenigen Senatoren öffentlich an, die gegen die Schliessung einer Gesetzeslücke beim Verkauf von Schusswaffen übers Internet gestimmt hatten, und zeigt deren Porträtfotos. «Gebete von solchen Leuten bringen nichts, da die NRA deren Eier in der Geldklammer hat. Sie sollten lieber dafür beten, dass Gott ihnen vergibt, dass sie die Waffenlobby das Land regieren lassen.»
Laut dem amerikanischen Onlinemagazin «Slate» ist der Monolog näher «am Propheten Jeremia als an Johnny Carson», dem wohl berühmtesten Entertainer der USA. Doch Kimmel bringe die Nachricht perfekt herüber. «Jimmy Kimmels aufrichtiges und ungeschöntes Vorgehen ist der einzig richtige Weg. Das ist nicht die Art von Nachricht, die jemand seinem Publikum mit Unaufrichtigkeit und Heuchelei verkaufen sollte. Es ist die Wahrheit, und das fühlt man.»
Auch andere Hosts beziehen Stellung
Conan O'Brien ist vor allem bestürzt darüber, wie stark sich diese Ereignisse in den letzten zehn Jahren gehäuft haben. Er sei schockiert gewesen, als sein Mitarbeiter ihm einen Stapel Zettel unter die Nase gehalten und ihm gesagt habe, dass dies die Aussagen seien, die er zu den letzten Schiessereien gemacht habe. «Wie kann es sein, dass ein Late-Night-Host ein ganzes Dossier mit Aussagen zu solchen Vorfällen hat? Wann wurde dies zur Normalität?»
Trevor Noah prangert vor allem die Verweigerungstaktik der Politiker an, über die Waffengesetze in den USA sprechen zu wollen. Tatsächlich haben sowohl Sarah Huckabee Sanders, die Sprecherin des Weissen Hauses, als auch diverse Nachrichtensprecher verlauten lassen, dass dies eine Tragödie ist. «Doch nun ist der Moment, der Opfer zu gedenken, nicht der Zeitpunkt, um eine politische Diskussion anzureissen», so Sanders.
Andere Themen würden auch unmittelbar nach der Tragödie diskutiert, sagt Trevor, wieso sei dies nicht auch nach Massenerschiessungen der Fall? Es sei beängstigend, wie sehr die Amerikaner Angst vor einem Diskurs über die Waffengewalt hätten, und dass immer wieder ein anderes Thema in den Vordergrund rücke. «Waren Muslime involviert? Oder waren es weisse Nationalisten? Das müssen wir verhindern!» Auch dieses Mal werde in erster Linie die Sicherheit in Hotels angesprochen und nicht der Zugang zu Waffen.
James Corden, ein gebürtiger Engländer, ist bestürzt darüber, dass in den zweieinhalb Jahren, seit er in Amerika lebt, der Rekord für den grössten Massenmord bereits zum zweiten Mal gebrochen wurde. Auch dass seit Anfang dieses Jahres 11'660 Menschen in den USA durch Waffengewalt ihr Leben verloren haben, erschreckt den Moderator. Er spricht ebenfalls die Verweigerung des Diskurses über Waffen an: «Manche sagen, es ist zu früh, um darüber zu sprechen. Für die Opfer in Las Vegas ist es aber viel zu spät.»
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