Mordfall IliasAlice F. bleibt lebenslänglich verwahrt
Die Rentnerin, die Ilias Mahmuti (†7) 2019 erstochen hatte, versuchte am Dienstag vor dem Appellationsgericht, ihre Verwahrung aufzuheben. Sie drang aber nicht durch. Zudem muss sie der Opferfamilie eine Genugtuung zahlen.

Am Dienstag fand am Basler Appellationsgericht der zweite Gerichtsprozess rund um die Ermordung von Ilias (†7) statt. Der Primarschüler war am 21. März 2019 auf dem Heimweg vom Gotthelf-Schulhaus mit zwei Messerstichen in den Hals getötet worden. Eine Seniorin hatte das Kind von hinten angegriffen. Es handelte sich gemäss ihren Aussagen um ein Zufallsopfer. Die Tat hat sie nie bestritten.
Christoph Balmer, Verteidiger der Täterin Alice F., forderte einen Freispruch für seine Mandantin. In erster Instanz wurde sie im August 2020 wegen Mordes verurteilt. Infolge einer psychischen Störung wurde sie aber verwahrt, weil sie schuldunfähig sei. Eine Verwahrung bedeutet eine dauerhafte Inhaftierung. Dabei geht es nicht um die Bestrafung der Täterin. Vielmehr soll die Öffentlichkeit vor ihr geschützt werden, weil die Möglichkeit besteht, dass sie weitere Straftaten begeht.
Artan Sadiku, Rechtsvertreter von Ilias Eltern Valon und Samire Mahmuti, verlangte Schadenersatz und finanzielle Genugtuung für die Opferfamilie.
Die Plädoyers der Anwälte dauerten rund zwei Stunden. Christoph Balmer argumentierte, Alice F. sei keinesfalls psychisch schwer gestört, ihre Tat habe sie nicht in einem Wahn begangen. Alice F. selber erklärte ebenfalls, sie brauche keine psychiatrische Behandlung und nehme derzeit auch keine entsprechenden Medikamente ein. Balmer kritisierte das Gutachten des Psychiaters, der bei F. einen «Querulantenwahn» diagnostiziert hatte. Das Gutachten sei «unsorgfältig» und «nicht nachvollziehbar».
Artan Sadiku seinerseits betonte in seinen Ausführungen, Alice F. sei nicht mittellos, sie habe vielmehr ein Vermögen von über 20’000 Franken. Auf dieses Guthaben sowie ihre Einkünfte aus AHV und Ergänzungsleistungen könne zurückgegriffen werden, um die Genugtuungszahlung zu leisten.
Staatsanwaltschaft will die Verwahrung
Sasha Stauffer, Erster Basler Staatsanwalt, forderte, das Appellationsgericht solle das erstinstanzliche Urteil des Basler Strafgerichts vom 11. August 2020 bestätigen. Alice F. habe Ilias «auf skrupellose Weise getötet». Bei ihr bestehe Rückfallgefahr.
Alice F. selber kam ebenfalls fast zehn Minuten lang zu Wort. Ihre Tat rechtfertigte sie wie schon beim ersten Prozess vor eineinhalb Jahren mit «Repressalien» von diversen Behörden, denen sie seit 1981 ausgesetzt gewesen sei. Als die Vorsitzende Richterin Eva Christ sie fragte, warum sie keine Hilfe gesucht, sondern den Mord als quasi unumgänglich bezeichnet habe, antwortete Alice F. mit lauter werdender Stimme: «Ich habe mich 40 Jahre lang immer wieder gemeldet, aber niemand hat mir geholfen.» Die im Gerichtssaal anwesenden Eltern von Ilias schienen konsterniert, Mutter Samire Mahmuti konnte ihre Tränen nicht zurückhalten.
«Ihr Tatmotiv und die Ausführung waren besonders verwerflich. Die grauenhafte Tat erfüllt alle Merkmale eines Mordes.»
Am Nachmittag kam das Gericht in seinem Urteil zum Schluss: Alice F. bleibt verwahrt. Gerichtspräsidentin Eva Christ erklärte in ihrer Begründung, das Gericht könne sich der Behauptung von Alice F., sie habe die Tat im Affekt begangen, es habe sich um Totschlag, nicht Mord gehandelt, nicht anschliessen: «Ihr Tatmotiv und die Ausführung waren besonders verwerflich. Die grauenhafte Tat erfüllt alle Merkmale eines Mordes.»
Alice F. sei, als sie Ilias mit einem Küchenmesser attackiert habe, «planmässig, kaltblütig und egoistisch» vorgegangen; sie habe «das Leben eines unschuldigen Kindes ausgelöscht» und keinen Gedanken daran verschwendet, welch unvorstellbares Leid sie damit über die Familie gebracht habe. Christ sagte an die Adresse von Alice F.: «Sie sind einer völlig verqueren Logik gefolgt, die nur in Ihren Wahnvorstellungen schlüssig war.» Der Mord an Ilias sei «die Tat einer kranken Frau». Alice F. müsse zum Schutz der Gesellschaft verwahrt bleiben: «Es wäre sehr gefährlich, wenn man Sie auf freien Fuss setzen würde.»
Das Appellationsgericht ging auch auf die in der ersten Instanz abgewiesene Forderung der Opferfamilie nach Schadenersatz und finanzieller Genugtuung ein. Allerdings gewährte sie nur zwei Drittel der eingeklagten Summe von rund 200’000 Franken. Wie Artan Sadiku, Rechtsanwalt der Familie Mahmuti, der BaZ erklärte, muss die Opferhilfe beider Basel die Summe ebenfalls noch gutheissen.
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