Ärzte müssen Hungerstreikende zwangsernähren
Ein Häftling im Hungerstreik muss zwangsernährt werden, wenn dies eine Behörde anordnet. Das Bundesgericht stellt im Fall Rappaz klar, dass die medizinische Ethik erst an zweiter Stelle kommt.

Das Bundesgericht hatte Ende August entschieden, dass Hanfbauer Bernard Rappaz wegen seinem Hungerstreik keinen Haftunterbruch erhält. Falls sein Tod oder eine bleibende Schädigung nicht anders abzuwenden sei, müsse er zwangsweise ernährt werden. Die Ärzteschaft reagierte vehement auf das Verdikt.
Der Präsident der Verbindung Schweizer Ärztinnen und Ärzte, Jacques de Haller, liess noch am Tag des Urteils verlauten, dass Zwangsernährung im Strafvollzug eine «Instrumentalisierung der Medizin» sei. Die wichtigsten Ärzteverbände doppelten in einer Medienmitteilung von Ende September nach.
Autonomie des Patienten als Grundpfeiler
Sie hielten darin fest, dass die vom Bundesgericht befürwortete Zwangsernährung der medizinischen Ethik widerpreche. Die Autonomie der Patienten, auch von inhaftierten, sei einer der zentralen Grundpfeiler in der medizinischen Behandlung.
Werde von Ärzten verlangt, den Patientenwillen jenem der Behörde unterzuordnen, setze sich das Gericht über die Selbstbestimmung der Bürger hinweg. Das Bundesgericht sei deshalb gehalten, keine Urteilsbegründung abzufassen, die den ethischen Grundsätzen der Medizin widerspreche.
In der am Montag publizierten schriftlichen Begündung des Entscheides halten die Richter in Lausanne nun allerdings kurz und bündig fest, dass sich die Ärzte bei einem Konflikt zwischen dem Recht und der medizinischen Ethik nicht auf letztere berufen können, um sich ihren Pflichten zu entziehen.
Rappaz in die Gefängnisabteilung eines Spitals verlegt
Die medizinische Ethik, wie sie in den Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) festgehalten sei, könne weder die Behörden daran hindern, eine Zwangsernährung anzuordnen, noch die Ärzte davon dispensieren, diese auszuführen.
Bernard Rappaz war letzte Woche von der Strafanstalt Crêtelongue in die Gefängnisabteilung des Universitätsspitals Genf verlegt worden. Der Hanfbauer trat in diesem Frühjahr eine Haftstrafe von 5 Jahren und 8 Monaten unter anderem wegen Betäubungsmitteldelikten an. Er protestiert seither mit Hungerstreiks gegen seine Strafe. Urteil 6B_599/2010 vom 26.8.2010; BGE-Publikation
SDA/pbe
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