Ach, Lolita
Die Schauspielerin Sue Lyon ging vergessen, das Phänomen blieb: die begehrte Kindfrau.

«And introducing...», so heisst es manchmal in einem Filmvorspann. Es ist ein Hinweis, dass da vielleicht ein Star geboren wird, auf den die Filmemacher später stolz sein können, ihn oder sie entdeckt zu haben. Dieses Einstiegsprivileg kam einst auch Sue Lyon zuteil, jener Lolita aus Stanley Kubricks Film von 1962. Lyon war 14, als sie die 12-jährige Protagonistin verkörperte, die von einem wesentlich älteren Literaturwissenschaftler begehrt wird.
Wenn damals von einem Skandal die Rede war, traf das jedoch vor allem auf die Literaturvorlage von Vladimir Nabokov zu. Der Autor, dessen Werk zuvor von mehreren Verlagen abgelehnt worden war, wurde der Pädophilie bezichtigt. Nabokov genoss den Skandalruhm, den sein «Wirbelsturm Lolita» ausgelöst hatte, und er verfasste auch das Filmdrehbuch, das dann allerdings von Regisseur Kubrick komplett umgeschrieben wurde. Kubrick interessierte sich mehr für das Innenleben des verfallenen und verfallenden Mannes.
Vom Lustobjekt zum Verkaufsargument
Bezeichnend indes, dass es wiederum Nabokov war, der Sue Lyon in Kubricks Film als «perfektes Nymphchen» bezeichnete. Das Bild des Mädchens mit der herzförmigen Sonnenbrille und dem Lutscher auf dem Filmplakat wurde zum Inbegriff des Lustobjekts, zum Pop-Phänomen, zum Verkaufsargument. Plötzlich gabs überall Lolita-Mode und Lolita-Kosmetik zu kaufen, Lolita-Nightclubs schossen wie Pilze aus dem Boden. Der Pfarrer einer gleichnamigen Kleinstadt in Texas strebte eine Namensänderung für seine Gemeinde an. Vergeblich. Lolita, Texas, heisst heute noch so.
Aber was hat das mit Sue Lyon zu tun? Nicht allzu viel. Nach «Lolita», der ihr einen Golden Globe einbrachte, war sie noch in Filmen von John Huston («Night of the Iguana») oder John Ford («7 Women») zu sehen. Dann sank ihre Starkurve rapide. Lyon führte an, ihr Scheitern habe mit der kurzen Ehe mit einem Mörder (Gary «Cotton» Adamson) zu tun. Aber im Grunde war sie einfach verheizt worden, den Lolita-Stempel brachte sie nicht mehr weg. Am vergangenen Donnerstag ist die Darstellerin 73-jährig in Los Angeles gestorben.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch