BVB erlauben Radio im TramAber FCB-Spiele sind im Führerstand tabu
BVB-Wagenführer dürfen im Tram neuerdings Radio hören. Das ist eine Schweizer Premiere. Wird es nun für die anderen Verkehrsteilnehmer in Basel gefährlicher? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist neu?
Seit dem 1. Juni ist es den Wagenführerinnen und Wagenführern erlaubt, in den Trams während der Fahrt Musik und Radio zu hören. Die BVB sind damit das erste Transportunternehmen in der Schweiz, in deren Trams dies gestattet ist. Es handelt sich um ein rund einjähriges Pilotprojekt. Im Frühling 2022 wollen die BVB zusammen mit den Sozialpartnern entscheiden, ob der Versuch in eine definitive Regelung überführt wird. Anders als in den Trams ist den Buschauffeuren der BVB schon jetzt das Radiohören während der Fahrt erlaubt.
Warum kommt es zu dieser Änderung?
Es war ein grosser Wunsch des Fahrpersonals, dass während der Arbeit im Tram Musik gehört wird. Die Gewerkschaft VPOD Region Basel hat sich im letzten Herbst für diesen Wunsch stark gemacht und innerhalb der BVB rund 600 Unterschriften für eine Petition gesammelt, die im Dezember 2020 der BVB-Führung übergeben wurde.
Ist Radiohören im Tramcockpit nicht zu gefährlich?
Genau diese (ungeklärte) Frage stand lange dem Wunsch des Fahrpersonals im Weg. Die BVB haben sich deshalb die Mühe gemacht, eine Antwort auf diese Frage zu erhalten. Eine eigens bei der Fachhochschule Nordwestschweiz in Auftrag gegebene Analyse kam zum Schluss, dass das Musikhören nicht per se zu einem erhöhten Sicherheitsrisiko führt. VPOD-Sekretärin Toya Krummenacher weist darauf hin, dass Musik ganz unterschiedlich auf die Menschen wirkt: «Für manche ist Musik in Stresssituationen beruhigend. Anderen hingegen kann es helfen, zum Beispiel die ermüdende Monotonie in Randzeiten zu durchbrechen.» Ausserdem sei das Fahrdienstpersonal bereits heute verpflichtet, sich bezüglich Fahrtauglichkeit selber einzuschätzen. Das gelte auch für das Radiohören. Wenn die Musik in gewissen Situationen zur Ablenkung wird, würde das Fahrpersonal von sich aus das Radio nicht anstellen. «Sicherheit hat für alle Priorität», sagt Krummenacher.
Darf nun immer und überall Radio gehört werden?
Nein. Erlaubt ist das Radio nur ausserhalb der Hauptverkehrszeiten. Von Montag bis Freitag muss im Tramcockpit zwischen 6.30 Uhr und 8.30 Uhr sowie zwischen 16.30 und 18.30 Uhr Stille herrschen. Ebenfalls nicht gestattet ist der Betrieb auf dem deutschen Streckenabschnitt in Weil am Rhein. In St-Louis hingegen dürfen Chansons und andere Lieder gehört werden. Geregelt ist auch die Lautstärke: Sie darf nur so hoch sein, dass die Signaltöne im Cockpit noch gehört werden und die Kommunikation mit der Leitstelle nicht beeinträchtigt wird. Zudem sollen die Passagiere nicht gestört werden.
Ist jeder Radiosender im Cockpit erlaubt?
Grundsätzlich schon. Allerdings schränken die BVB die Nutzung des Radios insofern ein, als dass keine Podcasts oder längere Wortbeiträge gehört werden dürfen. «Wir werden da aber nicht mit der Stoppuhr daneben stehen», sagt BVB-Sprecherin Sonja Körkel. «Entscheidend ist, dass die Konzentration auf die Haupttätigkeit, das Lenken des Trams, nicht beeinträchtigt wird.» Damit dürften beispielsweise auch Live-Reportagen zum FCB-Match im Tramcockpit zum unerwünschten Teil des Radiokonsums gehören.
Werden nun in den Cockpits Lautsprecher installiert?
Ein Tram hat, anders als die Busse, kein Radio eingebaut. Wagenführer sind jedoch alle mit einem Dienst-Tablet der BVB ausgerüstet, auf dem unter anderem der Fahrplan angezeigt wird. Über dieses können sie ihre Playlists und Radiosender abspielen. Boxen oder UKW-Radios zu verwenden, ist nur unter der Bedingung erlaubt, dass sie gesichert in der Tasche oder der Jacke verstaut sind und so bei einer Notbremsung nicht durch das Cockpit fliegen können.
Was sagt das Fahrpersonal zu der neuen Regelung?
Eine der Ersten, die am Dienstag in den Genuss der neuen Regelung gekommen ist, ist Janina Degen. Die Co-Präsidentin der VPOD-Gruppe BVB und Wagenführerin hat um 4.40 Uhr ein Tram der Linie 2 aus dem Depot gefahren und war bis am frühen Nachmittag auf dem Basler Netz unterwegs. Degen hat es genossen, sich von den Basler Lokalsendern mit Musik berieseln zu lassen. «Es war sehr angenehm.» Als Ablenkung empfinde sie es nicht. Degen sagt aber, dass sie bei extrem fordernden Situationen, beispielsweise wenn eine Demo den Betrieb durcheinanderwirbelt, das Radio abstellen würde.
Was ändert sich in den Trams der BLT?
Vorerst nichts. BLT-Direktor Andreas Büttiker verweist darauf, dass es sich bei den BVB um einen Pilotbetrieb handelt. Falls der Test aber positiv herauskommt und das Bundesamt für Verkehr den Radios im Führerstand zustimmt, werde man das auch einführen, sagt Büttiker. Noch unklar ist gemäss Büttiker allerdings, ob dies nur in der Stadt oder auch auf den Vorortslinien möglich ist. Auf Letzteren greift nämlich das Eisenbahngesetz. Dort wird nach Signal und nicht auf Sicht gefahren – anders als auf dem Stadtgebiet.
Alexander Müller ist Ressortleiter Region. Er widmet sich mit Vorliebe verkehrspolitischen Themen, berichtet aber auch über vieles anderes, das die Region Basel bewegt.
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