ABB lässt Ulrich Spiesshofer fallen
Der Konzernchef hat das Unternehmen per sofort verlassen. Seinem Führungsstil passte nicht länger zur neuen Aufstellung des Konzerns.

Nimmt man die Börse als Massstab, so ist der Abgang von Ulrich Spiesshofer an der Spitze von ABB ein Grund zum Feiern. Die Aktie des grössten Schweizer Industriekonzerns schoss nach Bekanntwerden des abrupten Chefwechsels nach oben. 5,5 Prozent höher als am Vortag schloss der Titel am Abend, der Börsenwert des Unternehmens stieg um 1,9 Milliarden Franken.
Spiesshofer stand in den vergangenen Jahren permanent unter Druck, über einen möglichen Wechsel wurde oft gemunkelt. Dennoch ist der Zeitpunkt des abrupten Wechsels überraschend. Denn ABB steckt mitten in einem Grossumbau. Zudem konnte Konzernpräsident Peter Voser an der gestrigen Telefonkonferenz keinen Nachfolger präsentieren. Auch eine Liste mit Kandidaten gibt es seinen Angaben zufolge noch nicht.
Bis ein neuer Konzernchef gefunden ist, springt der 60-Jährige als Interims-CEO selbst ein. Peter Voser übernahm 2015 das Präsidium von ABB, die er als deren ehemaliger Finanzchef bereits kannte.
Neue Kultur
Was ist der Grund für den abrupten Abgang von Spiesshofer? Voser erklärt, dass «ein kultureller Wandel» in der Firma stattfinde. Dieser Prozess sei durch den eben erst eingeleiteten Strategiewechsel ausgelöst worden.
Im Dezember gab ABB den Verkauf der Stromnetzsparte an die japanische Hitachi und die Auflösung der Matrixorganisation bekannt. Das Unternehmen teilte sich per 1. April in vier neue Sparten auf: Elektrifizierung/Industrieautomation, Antriebstechnik, Robotik und Fertigungsautomation.
Die Ländereinheiten verschwinden, die Divisionen erhalten mehr Autonomie. Voser liess durchblicken, dass der Führungsstil von Spiesshofer für die neue Organisation nicht mehr geeignet sei.
Denn laut Insidern ist Spiesshofer sehr detailversessen. Er machte seinen Mitarbeitern strenge Vorgaben, die er stets kontrollierte. Jetzt aber ist ABB eine Holding mit weitgehend autonomen Divisionen.
Die Umsetzung des kulturellen Wandels benötige vier bis fünf Jahre Zeit, sagt Voser. «Der Verwaltungsrat ist zur Überzeugung gekommen, dass es dafür eine neue Person an der Spitze braucht.» Der Entscheid zur Ablösung Spiesshofers sei am Dienstagabend gefallen. Voser verneinte, dass die enttäuschenden Ergebnisse von ABB in den letzten Jahren und der Druck von aktiven Investoren zum Personalentscheid geführt hätten.
Spiesshofer selbst nahm gestern keine Stellung. Nur via Twitter verkündete er: «Nach 14 Jahren in der Konzernleitung und fast sechs Jahren als CEO ist die Zeit gekommen, um auf Wiedersehen zu sagen.»
Ulrich Spiesshofer stand in den vergangenen Jahren wie kaum ein anderer Konzernchef hierzulande in der Kritik. Zu oft verpasste der Süddeutsche, der seit 2016 auch den Schweizer Pass besitzt, die selbst gesteckten Umsatz- und Renditeziele. Und zu oft redete er die Resultate schön. Der ehemalige Unternehmensberater baute ABB konstant um, was Vergleiche zum Vorjahr erschwerte. Als Konzernchef versprach er, «ABB neu zu positionieren für überdurchschnittliches Wachstum, wenn die Märkte wieder anziehen». Darauf warten die Aktionäre bis heute.
Durchhalteparolen
Konzernkenner bezeichnen den Ex-ABB-Chef als «einen guten Verkäufer und geschickten Kommunikator». Er habe es verstanden, mit Durchhalteparolen und Versprechen an der Spitze zu bleiben, während der Aktienkurs auf der Stelle trat.
Der Wirtschaftsingenieur leitete erfolgreich die Robotiksparte von ABB, bevor er 2013 als Nachfolger des US-Amerikaners Joe Hogan an die Konzernspitze kam. Hogan hatte als ABB-Chef nach der Finanzkrise zahlreiche Firmen übernommen, aber die Integration vernachlässigt. Spiesshofer entschlackte den Konzern und senkte die Verwaltungskosten. Auch er tätigte zwei Grossübernahmen – die Servicesparte von GE und die österreichische Herstellerin von Automatisierungstechnik Bernecker & Rainer.
Dem aktivistischen Grossaktionär Cevian war das zu wenig. Die Schweden forderten den Verkauf der Stromnetzsparte. Spiesshofer wehrte sich lange dagegen, das Herzstück von ABB zu verkaufen. Erst im Dezember gab er nach. Doch die Ankündigung war nicht der erhoffte Befreiungsschlag. ABB und ihr Konzernchef blieben unter Druck.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch