90 Prozent der Ägypter sagen Ja
Mit einer erdrückenden Mehrheit wurde die neue ägyptische Verfassung angenommen. Die Muslimbruderschaft wittert Wahlbetrug.
Hohe Beteiligung, hohe Zustimmung – das hatte sich die ägyptische Übergangsregierung vom Verfassungsreferendum gewünscht. Nun meldet sie Erfolge. Doch es bleiben Zweifel an der Fairness der Abstimmung.
Die Wähler in Ägypten haben die neue Verfassung offenbar mit überwältigender Mehrheit gebilligt. Nach vorläufigen Zahlen habe es beim Referendum diese Woche mehr als 90 Prozent Ja-Stimmen gegeben, sagte ein hoher Wahlbeamter am Donnerstag der Nachrichtenagentur AP. Erste Hochrechnungen bestätigten dies. Damit dürfte sich die vom Militär gestützte Übergangsregierung gestärkt sehen und eine Präsidentschaftskandidatur von Armeechef Abdel Fattah al-Sisi wahrscheinlicher werden. Doch beklagen Beobachter mangelnde Fairness vor der Volksabstimmung.
Gewalt am ersten Tag
Offiziell erklärte die Wahlkommission, die Stimmen würden noch ausgezählt und ein Ergebnis werde erst in einigen Tagen vorliegen. Kommissionschef Nabil Salib korrigierte damit die Ansage, dass bereits heute ein Resultat bekanntgegeben wird. Doch berichtete auch das Staatsfernsehen von mehr als 90 Prozent Zustimmung und einer Beteiligung am Referendum von mehr als 50 Prozent. Stimmberechtigt waren rund 52 Millionen Menschen.
Die Übergangsregierung hatte sich von der zweitägigen Volksabstimmung am Dienstag und Mittwoch Rückendeckung für ihren Kurs seit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi im Juli erhofft. Als Messlatte hatte sie vor allem eine hohe Beteiligung genannt - zumal Mursis Anhänger zum Boykott des Referendums aufgerufen hatten. In den islamistischen Hochburgen gingen nur wenige Menschen zur Abstimmung. Dagegen bildeten sich in grossen Städten lange Schlangen vor den Wahllokalen.
Vor allem der erste Tag des Referendums war von Gewalt überschattet, mindestens elf Menschen starben bei Zusammenstössen zwischen Anhängern Mursis und der Polizei. Der zweite Tag verlief weitgehend ohne gewaltsame Zwischenfälle. Doch berichteten ägyptische Beobachter von Unregelmässigkeiten an einzelnen Wahllokalen. Die Polizei nahm zudem einen Kameramann der AP fest, der live vom Referendum berichtete - offenbar weil sie ihn für einen Mitarbeiter des arabischen Senders al-Jazeera hielten.
Gleichheit von Mann und Frau
Kol Preap von der Beobachtergruppe der Organisation Transparency International kritisierte vor allem die Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit vor der Abstimmung. Während grossflächig Werbematerial für ein «Ja» verteilt wurde, wurden Befürworter eines «Neins» zum Teil verhaftet. Die Muslimbruderschaft - von der Übergangsregierung zur terroristischen Vereinigung erklärt - sprach von Wahlbetrug und systematischen Fälschungen.
Die Verfassung soll eine zuvor unter Mursi erarbeitete Version ersetzen. Diese hatte bei einem Referendum zwar auch eine Mehrheit erhalten, doch lag die Beteiligung nur bei knapp über 30 Prozent. In der neuen Verfassung sind islamistische Passagen getilgt.
Sie verbietet die Gründung politischer Parteien, die sich auf die Religion stützen. Gleichzeitig garantiert sie die Gleichheit von Mann und Frau und schützt die christliche Minderheit im Land. Allerdings räumt der Entwurf dem Militär einen Sonderstatus ein, der ihm für die kommenden acht Jahre die Ernennung des Verteidigungsministers erlaubt. Zudem können Zivilisten vor Militärtribunale gestellt werden.
Nach dem Verfassungsreferendum sollen nun schnell Präsidentschafts- und Parlamentswahlen folgen. Militärchef Al-Sisi werden Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt, falls das Referendum positiv ausfällt. Amr Mussa, der Chef der Verfassungskommission, sagte eine Kandidatur Al-Sisis voraus. «Wir brauchen eine nationalistische Figur, der das Volk vertraut, eine, von der wir wissen, dass sie das Land nicht in den Abgrund führt», sagte Mussa der Zeitung «Aschark al-Awsat».
SDA/chk
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