6 Fragen und Antworten zum Börsencrash
Wie konnte es zum Absturz von gestern kommen? Wieso ging er um die ganze Welt? Und was werden nun die Notenbanken tun?

Was machen die Märkte am Tag 1 nach dem Crash? Nach dem grössten Börsencrash seit acht Jahren ist in China die Talsohle offenbar noch nicht erreicht: Der Index in Shanghai verbuchte heute erneut ein Minus von 7 Prozent, nachdem er gestern mehr als 8 Prozent verloren hatte. Das Tief könnte noch einige Tage andauern. «Es ist durchaus eine Korrektur von bis zu 15 Prozent möglich», sagt Daniel Kalt, Chefökonom Schweiz bei der UBS. Die Börse in Hongkong rettete sich zum Handelsende noch in ein Plus von 0,75 Prozent. Der japanische Nikkei-Index büsste knapp 4 Prozent ein. Besser sieht es an anderen Börsen in Asien und Ozeanien aus: In Australien, Korea, Indien, Singapur, Malaysia, Thailand und Indonesien legten die Kurse zu. Auch die europäischen Börsen können sich dem Abwärtstrend aus Asien entziehen. Der SMI liegt derzeit 3,17 Prozent im Plus.
Warum hat die Börse von China einen so grossen Einfluss auf die globalen Märkte? Schuld an der gestrigen Börsenpanik ist die Befürchtung, dass die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt einbrechen und damit eine weltumspannende Rezession auslösen könnte. Denn China leistet seit Ende der Finanzkrise 2010 den grössten Wachstumsbeitrag für die Weltwirtschaft – ein Drittel ist es laut Experten (der TA berichtete). Die ehemalige Wachstumslokomotive USA kommt dagegen nur noch auf rund 17 Prozent. Geschürt wurde die Angst durch kleinere Kursstürze an der chinesischen Börse in den letzten Wochen und die Abwertung des Yuan. All diese Faktoren zusammen lösten gestern offenbar einen Dominoeffekt an der Börse aus: Anleger platzierten massenhafte Verkaufsorders, für die es aber keine Nachfrage mehr gab. Dadurch sanken die Kurse, was noch mehr Verkäufe auslöste – der Kreislauf war in Gang gesetzt und breitete sich rund um den Globus aus.
Was wird die chinesische Regierung jetzt tun? Das ist die grosse Frage, die sich am Tag nach dem Börsencrash stellt. Denn der Handlungsspielraum ist begrenzt. Als erste Reaktion hat die chinesische Notenbank am Mittag den Leitzins um 0,25 auf 4,6 Prozent gesenkt. Ausserdem reduzierte sie die Reserveanforderung für die meisten grossen Banken ab dem 6. September, um neues Kapital freizusetzen. Ob diese kurzfristigen Massnahmen das Problem langfristig lösen, ist allerdings fraglich. Die bisherigen Eingriffe der chinesischen Regierung sind nämlich wirkungslos verpufft, sonst wäre es nicht zur Börsenpanik gekommen. Dazu gehören Geldspritzen der Notenbank oder Veräusserungsverbote für Anteilseigner, die Beteiligungen von mehr als fünf Prozent an einem Unternehmen halten. Erst am Sonntag erlaubte die Regierung künftige Investitionen von Rentenfonds in Aktien: Die Fonds dürfen ab sofort mit bis zu 30 Prozent ihres Kapitals spekulieren – doch auch diese Aktion konnte den Absturz nicht verhindern.
Und wie werden die westlichen Notenbanken reagieren? Auch das Instrumentarium der westlichen Regierungen und Notenbanken ist begrenzt (der TA berichtete). Sollte Chinas Wirtschaft tatsächlich abstürzen und damit auch das Wachstum in anderen Ländern bremsen, liesse sich dieser Einbruch nur schlecht abfedern. Normalerweise würden die Notenbanken in einem solchen Fall die Zinsen senken. Doch diese verharren in den wichtigsten Währungsräumen ohnehin schon nahe bei null – in der Schweiz, in Dänemark und Schweden sind sie sogar im Minusbereich. Die Hunderte Milliarden Dollar, welche die Notenbanken seit der Finanzkrise in die Wirtschaft pumpten, haben bislang zudem wenig Wirkung gezeigt.
Kommt die Zinswende nun doch nicht? Die Börsenkrise in China fällt just in die Phase, in der die US-Notenbank Fed die Leitzinsen zum ersten Mal seit sieben Jahren wieder anheben will. Unter Experten wächst nun die Überzeugung, dass das Fed die Zinswende nochmals hinauszögern wird. «Wir verschieben unsere Prognose für die erste Zinsanhebung von September 2015 auf März 2016», schreiben die Analysten von Barclays in einem Kommentar zu den aktuellen Turbulenzen. Laut dem Fed-Chef von Atlanta, Dennis Lockhart, ist eine Zinserhöhung «irgendwann im Laufe dieses Jahres» allerdings immer noch möglich. Es werde eine «schrittweise Normalisierung der Geldpolitik» geben. Ob die Zinsen nun erst recht oder auf keinen Fall angehoben werden dürfen, ist umstritten. Befürworter einer raschen Zinsanhebung argumentieren, dass das Fed sich nur so die Möglichkeit verschafft, bei einer späteren Konjunkturabkühlung wieder mit einer Zinssenkung reagieren zu können. Pessimisten glauben allerdings, dass die jetzige Anhebung der Zinsen eine Krise erst recht befeuern könnte.
Sind die Sorgen um Chinas Wirtschaft berechtigt? Viele westliche Experten und Ökonomen plädieren nach dem Crash für mehr Gelassenheit. Die China-Panik sei «übertrieben», schreibt Mark Williams, Asien-Chefanalyst des britischen Konjunkturforschungsunternehmens Capital Economics. Die Kursstürze an der chinesischen Börse seien vor allem auf die Implosion der Aktienblase zurückzuführen, die in China im letzten Jahr entstanden sei. «Der Kollaps der Aktienblase sagt fast nichts über die Lage der chinesischen Wirtschaft aus», schreibt Williams. Tatsächlich seien die neusten Wirtschaftsdaten aus China positiver, als aufgrund der aktuellen Schlagzeilen zu erwarten wäre. Grossen Teilen der chinesischen Wirtschaft gehe es immer noch gut, zum Beispiel dem Dienstleistungssektor – der entsprechende Einkaufsmanager-Index erreichte im Juli ein Elf-Monats-Hoch. Es gibt allerdings auch kritischere Stimmen. Sie werfen ein, dass die offiziellen chinesischen Wirtschaftsdaten nicht der Realität entsprechen. So werde Chinas Bruttoinlandprodukt (BIP) dieses Jahr nicht wie erwartet um 7, sondern nur um 4 bis 6 Prozent wachsen. Dass die chinesische Notenbank jüngst mehrmals die Währung abgewertet habe, sei zudem ein Beweis für die missliche Lage der Wirtschaft.

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